Essen. . In der Bar „Stoffwechsel“ kann man seit zwei Wochen auch vegan essen, auf dem Markt geben die Kunden gerne mehr fürs Fleisch aus. Und im Reformhaus wird das Publikum immer jünger - in Rüttenscheid ist der Trend zu bewusster Ernährung an vielen Stellen spürbar.

Bei Claudia Stoff begann das Experiment vor vier Monaten. Ein Bekannter hatte ihr das Kochbuch des Vegankochs Attila Hildmann geschenkt, der damit seit Wochen wortwörtlich in aller Munde ist. Beim Verzehr von Fleisch hat die 40-Jährige ein „grundschlechtes Gewissen“ sagt sie, ernährt sich vorwiegend vegetarisch. Vor zwei Wochen erweiterte sie auch das Speisenangebot ihrer Bar „Stoffwechsel“ an der Hedwigstraße um eine vegane Wochenkarte. „Ich war einfach überrascht, wie gut das schmeckt“, sagt sie.

Vegane Hochzeitsfeier

Aktuell hat Claudia Stoff etwa ein Cashew Panna Cotta mit Waldfrüchten im Angebot. Statt Gelatine wird dafür der geschmacksneutrale Ersatzstoff Agar-Agar verwendet, der aus Algen-Zellwänden gewonnen wird. Gesüßt wird das Dessert mit Agavendicksaft. „Das ist auch besser für die Figur“, weiß die Gastronomin. Bei den Gästen komme das Zusatzangebot gut an, für April hat sich schon eine vegane Hochzeitsgesellschaft angemeldet. „Viele Menschen haben ein größeres Ernährungsbewusstsein entwickelt“, hat Claudia Stoff beobachtet.

Falsche Bio-Etiketten, Pferdefleisch-Skandal, schimmliges Futtermittel: Auch wenige Meter weiter profitieren die Händler auf dem Rüttenscheider Markt von den jüngsten Ekel-Nachrichten der Lebensmittelindustrie. Fleischermeister Philipp Burkert etwa wird immer häufiger gefragt, wo Roastbeef, Kalbsbries, Ochsenbäckchen und Co. ihren Ursprung haben. „Edles Fleisch“ heißt der Betrieb, den er gemeinsam mit Simon Schräder gründete. Entsprechend kostet das Kilo Ibericocarree denn auch 35 Euro. Burkert hat einen Sinneswandel ausgemacht: „Die Leute essen lieber ein, zwei Mal die Woche gutes Fleisch, als täglich auf abgepackte, günstige Fertigprodukte zurückzugreifen.“ Kollege Roland Mocek, der ein paar Stände weiter Bio-Fleisch verkauft, gibt ihm Recht: „Es geht nicht nur um das Bio-Siegel. Herkunft, Haltung, Schlachtung - beim Fleischverzehr rücken ethische Fragen in den Vordergrund.“

„Mittlerweile können wir einen Generationenwechsel beobachten“

Fragen, die sich Renate Zänsler schon seit 15 Jahren nicht mehr stellt. BSE und Hormonskandale haben der 62-Jährigen schon lange den Appetit auf Fleisch verdorben, gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie strikt vegetarisch. Zwei Mal die Woche geht sie auf dem Rüttenscheider Markt einkaufen, Eier bezieht sie direkt vom Bauernhof. Lebensmittelskandale registriere sie schon lange nicht mehr - „dafür achte ich viel zu sehr darauf, was ich esse“, sagt sie.

Eine Lebenseinstellung, die auch Susanne Bonmann teilt: Seit 25 Jahren betreibt sie das Reformhaus an der Rüttenscheider Straße. Das angestaubte Klischee der „Biolatschenträger und Grünkernfanatiker“ habe sich längst gewandelt. „Mittlerweile können wir einen Generationenwechsel beobachten“, sagt Bonmann. Junge Mütter und Studenten kaufen in dem Reformhaus ebenso ein wie Marianne Ruhnow: „Einmal die Woche Fleisch reicht völlig aus“, ist die 76-Jährige überzeugt, die zuletzt als Krankenschwester Dialyse-Patienten betreute und auch wegen dieser beruflichen Erfahrung genau darauf achtet, was auf ihrem Speiseplan steht: „Ich habe zu viele Menschen gesehen, die sich durch schlechte Ernährung Stück für Stück umgebracht haben.“