Essen-Südviertel. . Mit der „Sternquelle“ schließt an der Schäferstraße die letzte von einst vielen Eck-Lokalen südlich des Hauptbahnhofs. Das hat mehrere Gründe.

Früher wurde in der Sternquelle noch ein richtiger Mittagstisch serviert. Da kamen die Bundesbahner vom Bismarckplatz, die Mitarbeiter von Hochtief und der Sternbrauerei in Scharen, erzählt Gastwirt Stephan Alrutz. Da guckte auch keiner schief, wenn man sich an einem normalen Werktag in der Mittagspause ein Pils bestellte. Und da störte es niemanden, wenn der Gegenüber im dichten Zigarettenqualm nur noch schemenhaft zu erkennen war.

Diese Zeiten sind nun allerdings ebenso vorüber wie jene, in denen rustikale Eichenmöbel als chic galten und man große Familienfeste im Saal einer Gaststätte feierte. Die Sternquelle an der Schäferstraße in Essen ist nun die letzte von einst gut einem halben Dutzend Traditionskneipen zwischen Hauptbahnhof und Kronprinzenstraße, die der gesellschaftliche Wandel in die Knie zwingt. Stadtschreiber, Sternchen, Hohaus, Sterntaler – sie alle haben längst aufgegeben, ebenso wie die namengebende Brauerei, die 1989 am Standort des heutigen RWE-Turms geschlossen wurde.

Gastwirtschaft rechnet sich nicht mehr

Ende Januar ist auch in „Schröders Sternquelle“ Schluss. Dann zapft Stephan Alrutz, der die Kneipe 2003 von der Familie Schröder übernahm, das letzte Pils: Stauder, 1,40 Euro fürs kleine Bier vom Fass, „sonst kommt ja gar keiner mehr.“ Statt des üppigen Mittagstischs von einst – „heute isst ja jeder in der Kantine“ – bietet er heute eine Kartoffelsuppe an, „hausgemacht natürlich“.

Für den 53-Jährigen rechnet sich die Gastwirtschaft nicht mehr, trotz „einer der größten Kegelbahnen der Stadt“, einem 100 Quadratmeter großen Gastraum und einem ebenso großzügigen Gesellschaftssaal. Der wurde jüngst zur Bühne eines Krisentreffens des AfD-Landesverbands. Gäste, die Stephan Alrutz Kritik einbrachten: „Das gab viel negatives Feedback, aber das stört mich nicht. Schließlich kommen alle Parteien hierher, auch die MLPD. So lange sie demokratisch gewählt sind, habe ich da keine Probleme, ich muss ja auch mein Geld verdienen. Nur an die NPD würde ich nicht vermieten.“

Kegelclub kommt seit 40 Jahren an die Schäferstraße

Der Wirt konzentriert sich ohnehin am liebsten auf die Gäste, die direkt an seiner Theke sitzen und ihm nicht selten ihr Herz ausschütten. „Letzte Woche kam einer, bestimmt schon 70, und hat mir anderthalb Stunden von seinem Liebeskummer erzählt. Dafür bin ich da“, sagt Stephan Alrutz. Und für seine Stammgäste natürlich.

Dazu gehören die ehemaligen Bundesbahner Werner Sievert und Manfred Driehorst, die mit ihren Kollegen schon seit über 40 Jahren zum Kegeln kommen. „Früher sind wir immer nach dem Frühdienst um 14 Uhr hierher. Heute macht sowas ja keiner mehr nach der Arbeit, dafür ist ja keine Zeit mehr. Wir werden uns nun eine neue Kegelbahn suchen müssen, wahrscheinlich in Rüttenscheid“, bedauert Driehorst die Schließung.

Auf die folgt schon bald etwas Neues: Die Räume sollen zu einer Tagespflegestelle für unter Dreijährige umgebaut werden; die Stadt will sich demnächst zu weiteren Einzelheiten äußern. „Mit Betreuung“, sagt Alrutz, „lässt sich heute leichter Geld verdienen als in der Gastronomie“.