Gelsenkirchen. . Tageskunden gebe es immer seltener, für junge Leute sei es „uncool“, in die Kneipe zu gehen. Die WAZ beendet ihre Serie „Auf ein Bier“.

„Die klassische kleine Kneipe ist schon lange ein aussterbendes Modell. Früher traf man sich hier mit seinem Nachbarn und trank sein Bier. Das ist heute nicht mehr so“, erzählt Rainer Nothoff, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands für die Region Emscher- Lippe. „Auch den Rentner, der morgens den Spielautomaten füttert und mit anderen Gästen über Gott und die Welt philosophiert, trifft man immer seltener an“, sagt er.

428 Gastronomie-Gewerbe gebe es im Stadtgebiet, wie die Stadt Gelsenkirchen auf WAZ-Anfrage mitteilt. 215 Gaststätten davon seien konzessioniert, das heißt, hier dürfte nach dem Gaststättengesetz Alkohol ausgeschenkt werden. 213 seien erlaubnisfrei - hier sei der Alkoholausschank untersagt. Gesplittet auf die Stadtteile heißt das: In Gelsenkirchen Mitte existieren derzeit insgesamt 145 konzessionierte und erlaubnisfreie Gaststätten, in Schalke 88, in der Feldmark 37, in Rotthausen 27, in Ückendorf 51, in Bulmke und Bulmke-Hüllen 51 und in Bismarck 29. „Diese Zahlen setzen sich allerdings nicht nur aus den typischen Kneipen zusammen. Auch Kioske, Dönerbuden, Spielhallen oder Kleingartenvereine werden bei dieser Auflistung mitgezählt“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann.

Bei der WAZ-Kneipen-Serie „Auf ein Bier“, bei der regelmäßig ein Stammgast über seinen Lieblingsladen sprach, war das Kneipensterben oft ein Thema, das angesprochen wurde. Doch wie lässt sich das erklären? Laut Nothoff, der eigentlich Jurist ist, gebe es den typischen Tageskunden, der sich tagsüber in der Kneipe mit anderen Leuten trifft, immer seltener. Für junge Leute sei es schlichtweg „uncool“ geworden. „Viele bevorzugen mehr einen neuen Typus von Kneipe, einen mit Lounge-Charakter. Auch die Getränkewahl hat sich verändert. Statt des Biers werden häufiger In-Getränke wie Gin Tonic verzehrt.“

Der 56-Jährige erinnert sich an ein Gespräch mit einem Kneipier aus dem Stadtteil Ückendorf, das einige Zeit zurückliegt. „Er sagte mir, man verdient kein Geld damit, wenn abends ein Gast zwei bis drei Bier trinkt. Nein, das passiert durch die Leute, die im übertragenen Sinne mit Karabinerhaken an die Theke gefesselt sind und über den Tag verteilt mehrere von den typischen Herrengedecken, also Pils zusammen mit Korn, verzehren.“ Der Wirt soll damals gesagt haben: „Ich bin Psychologe, Beichtvater, Eheberater, Comedian und Alleinunterhalter in einer Person. Das ist mein Beruf.“

Nach der Aussage von Nothoff, dessen Eltern jahrelang eine Kneipe betrieben haben, sei es eine schwere Arbeit. „Wirt zu sein, ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Ich bewundere Wirte. Zehn Stunden Arbeit am Tag und 70 Stunden in der Woche sind keine Seltenheit. Neben dem normalen Gastronomiebetrieb kommt ja noch jede Menge Bürokratie hinzu.“ Gerade für junge Menschen sei der Beruf des Kneipiers somit eher unattraktiv geworden.

Folgen des Raucherschutzgesetzes

„Früher sind 10 000 Gläser Bier im Monat über die Theke gewandert. Überspitzt gesagt, wer es heute schafft über 5000 Glas Bier auszuschenken, liegt schon im oberen Segment.“ Dadurch würde das Bier auch häufig viel zu günstig angeboten werden. Auch die Folgen des Raucherschutzgesetzes seien ein Grund für das Schließen vieler Kneipen. Häufig fehle auch die Professionalität bei Eröffnung eines Lokals. „Wer Bier trinken kann, kann nicht unbedingt Bier verkaufen. Im Ruhrgebiet scheitern nach meiner Einschätzung mindestens zwei Drittel aller Kneipen im ersten Jahr.“

Doch trotz der ganzen Schwierigkeiten gibt es immer noch Gastronomie, die sich hält. Nothoff dazu: „Eine gute Kneipe hat einen Wohlfühlcharakter. Wichtig ist es, dass es ein Kneipier beherrscht, Leute zu unterhalten beziehungsweise die Leute zu Unterhaltungen zu bringen.“