Essen. . Ein Ehepaar aus Essen-Überruhr soll einen großen Teil seines Gartens abgeben. Das Grundstück gehört der Stadt, die eine Flüchtlingsunterkunft plant.
Noch bis Donnerstag, 22. September, 14 Uhr, können Gisela und Konrad Tessarek aus Essen-Überruhr ihren hübsch gestalteten Garten nutzen. Dann muss ein großer Teil der Fläche geräumt und an die Stadt übergeben werden, so hat die es dem Ehepaar jetzt per Einschreiben mitgeteilt: Denn die Kommune ist die Eigentümerin des Grundstücks an der Antropstraße, die Tessareks sind nur Pächter. Und so müssen sie hinnehmen, dass direkt hinter ihr Haus ein Flüchtlingsheim mit 100 Plätzen gebaut werden soll.
Der zweigeschossige Bau würde nur sechs Meter von ihrer Grundstücksgrenze und etwa 15 Meter von ihrem Haus stehen. Dabei entschied die Politik gerade, bereits beschlossene Asylheime zu verkleinern oder gar nicht erst zu bauen. So hofft auch das Paar aus Überruhr nun, dass die Politik das Bauvorhaben in ihrem Garten noch stoppt.
Bislang allerdings sei die politische Diskussion an der Antropstraße nicht angekommen. Beschlossen hat der Rat der Stadt jetzt in seiner Sitzung indes, auf drei Standorte im Osten der Stadt zu verzichten: So ist die Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft an der Hubertstraße in Frillendorf bis auf weiteres zurückgestellt. Dort entstehen nun nur 250 Plätze. Außerdem werde die Unterkunft am Stauseebogen in Heisingen mit 100 Plätzen nicht gebaut, ein entsprechender Ratsbeschluss von 2014 ist damit aufgehoben. Diese Fläche gehört dem Ruhrverband und dient derzeit als Ausgleichsfläche für die Kläranlage in Kupferdreh. Das Grundstück hätte daher umgewidmet werden müssen. Eine abschließende Klärung zur Nutzung dieser Fläche gebe es bis heute nicht, erklärte die Verwaltung in ihrer Vorlage und riet davon ab, diese Pläne weiter zu verfolgen.
Schließlich scheiterte auch der Ankauf eines Grundstückes in Kray an der Rotthauser Straße/Wendtwiese. Hier will der Eigentümer lieber Wohnungen bauen.
Kommunikation fast ausschließlich per Post
Mit ihnen habe die Stadt bislang fast ausschließlich über Briefe kommuniziert, sagt das Ehepaar Tessarek. Nur einmal habe sich eine Mitarbeiterin vom Liegenschaftsamt sehen lassen. „Das Grundübel ist, dass niemand zu uns kommt, um sich das Grundstück anzuschauen und um mit uns ins Gespräch zu kommen“, sagt Gisela Tessarek (63).
Dass die Stadt ihr Grundstück irgendwann einmal zurückfordern könnte, war den Tessareks, die hier seit 1986 wohnen, bewusst. „Die 400 qm, die uns bleiben würden, würden uns auch vollkommen reichen“, sagt Konrad Tessarek (63). Bloß ein langer, zweigeschossiger Riegel mit 100 Bewohnern würde für sie bedeuten, auf dem Präsentierteller zu leben. Der bis heute gültige Bebauungsplan von 1970 habe an diesem Ort ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser vorgesehen. Die Tessareks sind darum überzeugt, dass die Pläne der Stadt gegen das Bauordnungsrecht verstoßen.
Baunutzungsverordnung von 1968
Die Stadt verweist freilich darauf, dass es aktuell weitreichende Ausnahmeregelungen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gebe. Diese Argumentation hält der Anwalt von Familie Tessarek nicht für stichhaltig: An der Antropstraße gelte eine Baunutzungsverordnung von 1968, nach der solche Ausnahmen eben nicht greifen. Für eine Klärung will das Ehepaar notfalls vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ziehen – während ihre Nachbarn den Garten bereits geräumt haben.
Schon im Februar hatte sich eine Anwohner-Initiative gegen die Pläne der Stadt gewehrt: Sie wies etwa auf die Kessellage des Heims inmitten von kleinen Häusern hin. Damals war sogar noch von zwei Gebäuden mit 200 Plätzen die Rede, nach einer Prüfung der Gegebenheiten sind diese Pläne längst halbiert. Die Anwohner, die ihren Unmut trotzdem weiter äußerten, sehen sich bisweilen dem Vorwurf ausgesetzt, sie duldeten keine Flüchtlinge als Nachbarn, seien offenbar ausländerfeindlich. „Blödsinn, das wird uns hier an der Antropstraße nicht gerecht“, ärgert sich Konrad Tessarek. Seit 30 Jahren gebe es nur wenige Hundert Meter entfernt ein Flüchtlingsheim. „Schon unsere Tochter ist mit den Kindern zur Schule gegangen – und alle haben miteinander gespielt.“