Essen. Der junge Dirigent Kristjan Järvi eröffnet heute in der Essener Philharmonie die Deutschlandtournee der Jungen Deutschen Philharmonie.

Unbekannt ist Kristjan Järvi nicht mehr in Essen. Für Furore sorgte er erst noch im November - beim Konzert mit dem Pianisten Herbert Schuch und dem WDR Sinfonieorchester Köln während des Festivals „America - NOW!“. Jetzt kommt der 39-jährige Dirigent mit den estnischen Wurzeln wieder in die Philharmonie. Heute Abend beginnt dort die Deutschlandtournee der Jungen Deutschen Philharmonie. Und Järvi, dessen Vater (Neeme) und Bruder (Paavo) ebenfalls international bekannte Dirigentenpersönlichkeiten sind, hat dieses Mal mit der fabelhaften Tamara Stefanovich erneut eine der interessanten Pianistinnen dieser Zeit für den anspruchsvollen Klavierpart in Olivier Messiaens „Turangalîla-Sinfonie“ gewinnen können.

„Ein wahnsinniges Stück, mittlerweile schon so etwas wie ein Klassiker.“ Also nicht ein abgehobenes Werk eines hoch intellektuellen Komponisten, dass man endlich mal wieder bringen muss? „Nein, ganz sicher nicht.“ Kristjan Järvi gerät ins Schwärmen, wenn er über die verschiedenen Stile spricht, von Jazz bis zur Momenten der Atonalität, die Messiaen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs seiner „Turangalîla“ verpasste.

80 Minuten für großes Orchester

80 Minuten für großes Orchester, eine elektronische Soundmaschine, die so genannte „Ondes Martenot“ und ein wahnsinniger Klavierpart. „Auch dafür könnte ich mir zurzeit keine bessere Musikerin als Tamara Stefanovich vorstellen.“ Selbst beim Telefoninterview, für das sich der designierte Chefdirigent des MDR-Rundfunkorchesters Leipzig zwischen den Proben in Süddeutschland Zeit nimmt, klingt er begeistert.

Er, der sonst mit den etablierten Profis des London Symphony Orchestra, des Gewandhausorchesters, französischen Vorzeigeorchestern oder der Dresdner Staatskapelle zusammen arbeitet, widmet die zweite Seite seiner Karriere der Förderung des Nachwuchses. Als Gründer des Baltic Youth Philharmonic oder eines speziellen Musikprogramms für Waisenkinder seiner Heimat, verfügt er auch über längere Beziehungen zur Jungen Deutschen Philharmonie. Neben der Professionalität, die die Musikhochschulabsolventen auf jeden Fall mitbringen, schätzt Järvi die Offenheit und den Enthusiasmus, den die Nachwuchsensembles noch besitzen. Das sei schon etwas anderes, als die oft abgeklärte Erfahrenheit, die auch den Dirigenten manchmal aus den alten Profiensembles entgegenschlage.

"Ja. Und es ist hip"

Seine Aufgabe als Musiker und Dirigent in einer Zeit, in der die Lobby für die Orchester aber auch die Klassik insgesamt weniger zu werden scheint, sieht er vielschichtig. „Wir müssen Unterhalter und gleichzeitig Kulturvermittler sein, dürfen dabei aber nicht nur in der Vergangenheit stecken bleiben“, sagt Kristjan Järvi. Das gelte für das Repertoire, das man spiele, aber auch für die Orte, an denen gespielt werde. „Durchaus auch mal raus aus dem Konzertsaal“, lautet seine Devise. Dabei darf es ruhig spektakulär zu gehen, soll aber der Musik, der Kultur dienen. Billiges Greifen nach Events sind offensichtlich nicht gemeint. „Schon gar nicht, wenn man einen tollen Saal mit einer Akustik wie in Essen zur Verfügung hat.“

Ob ein Besuch der „Turangalîla“ ein Event sei? „Ja. Und es ist hip. Tolle junge Leute setzen sich mit einem spannenden Stück auseinander, ein Spielplatz des Klangs und ein wirkliches Gruppenerlebnis, auf - und vor dem Podium.

Konzertbeginn heute: 20 Uhr. Um 19.30 uhr gibt Pianistin Tamara stefanovich eine Einführung in Olivier Messiaens „Turangalila-Sinfonie“. Karten: Tel.: 0201/81 22 200 oder www.philharmonie-essen.de