Essen. . Angela Gheorghiu wird auf den Opernbühnen der Welt gefeiert. Trotzdem ist sie bodenständig geblieben und hat sich ihre Grundsätze bewahrt. Im Interview erklärt sie, mit welchen Regisseuren sie niemals zusammenarbeiten würde - und was die anderen mit ihr machen dürfen.
Fast jede Saison ruft die Opernszene einen neuen Star aus. Da ist eine Sopranistin, die sich seit fast 20 Jahren an der Weltspitze hält, fast ein Wunder. Die Rumänin Angela Gheorghiu gilt als Bank an den bedeutenden Opernhäusern der Welt. Ehe sie am 16. Februar den Wiener Opernball adelt, gastiert sie am 11. Februar in Essens Philharmonie. Lars von der Gönna erreichte sie zum Telefon-Interview im eisigen Wien. Frieren musste die Diva dort freilich nicht. Sie ist zwar als glutvoll bekannt, schwitzte aber aus anderen Gründen.
Hallo Frau Gheorghiu, können Sie mich hören?
Angela Gheorghiu: Ja, die Leitung ist wunderbar. Ich bin in der Sauna.
Wie bitte?
Gheorghiu: Ja, im bitterkalten Wien sitze ich in der Sauna. Herrlich! Und ein sehr ungestörter Ort zum Telefonieren. Schießen Sie los!
Sie singen auf dem legendären Wiener Opernball, sind Sie aufgeregt?
Gheorghiu: Ach, was. Zwei Arien, das ist keine große Sache. Das ist ein Ball, da darf jeder singen. Vor zwei Jahren hat hier sogar der Staatsoperndirektor gesungen, dann werd’ ich’s ja wohl auch können. Man trägt ein schönes Kleid und so weiter.
„Ich dachte, wir reden über meine Stimme!“
Apropos Kleider, auch wenn Sie gerade nicht viel an haben: Ihre Roben sind berühmt. Braucht das Publikum den schillernden Star?
Gheorghiu: Nun kommen Sie mit meinen Kleidern, ich dachte, wir reden über meine Stimme!
Oje, ich wollte Sie nicht beileidigen.
Gheorghiu: Schon gut, schon gut. Wissen Sie, das mit den Kleidern wird zu hoch gehängt. Ich nehme das gar nicht so wahr. Es ist normal für mich, gut angezogen zu sein. Meine Mutter war Schneiderin. Wenn ich im Kino ein tolles Kleid gesehen habe, dann hat sie mir das nachgenäht. Ich war da sozusagen von kleinauf verwöhnt.
Sie singen an der Met, in Covent Garden und der Wiener Staatsoper. Kenner sagen, Sie seien aktuell der beste Puccini-Sopran der Welt.
Gheorghiu: Jaja, und als ich damals mit „Traviata“ meinen Durchbruch hatte, war ich „die beste Verdi-Sängerin“. Mich stören solche Zuordnungen, auch wenn sie wahrscheinlich ein Kompliment sein sollen. Die Opernwelt ist so reich, da lasse ich mich ungern einengen. Danke dennoch: Puccini hat sehr starke, sehr emotionale Rollen geschaffen, das kommt mir schon sehr entgegen.
„Es geht um mehr als schönes Singen!"
Es heißt, Sie bereiten sich extrem akribisch auf Ihre Rollen vor.
Gheorghiu: Wenn ich mich vorbereite, geht es um viel mehr als schönes Singen, schönen Klang. Ich bin extrem gründlich. Jedes Wort hat eine Bedeutung, jedes! Ich fange aber nicht erst mit dem Operntext an. Ich beginne mit der literarischen Vorlage. Ich will ja keine leblose Figur singen, sondern einen Menschen verkörpern, in so vielen Facetten wie möglich. Ich fühle mich ganz klar als Schauspielerin.
Sie arbeiten also im Grunde wie ein Regisseur?
Gheorghiu: Absolut. Aber mir hilft auch sehr, dass ich in meiner rumänischen Heimat nicht nur Gesang, sondern auch Tanz und Schauspiel studiert habe, Shakespeare, Ibsen, all das.
Wie kommen Sie dann mit Regisseuren klar?
Gheorghiu: Sagen wir mal so. Wenn mich einer überzeugt, dann gehöre ich ihm mit Haut und Haaren, dann kann er mit mir machen, was er will. Was ich nicht mag, sind Experimente. Dann sage ich: Sorry, sucht euch eine andere. Darin bin ich nicht gut. Und ein Versuchskaninchen für Regisseure bin ich erst recht nicht.
Die Deutschen haben Ihnen einen Star zu verdanken: den Tenor Jonas Kaufmann.
Gheorghiu: Stimmt. Er ist so etwas wie mein „Schüler“. Ich erlebte Jonas in Zürich. Ich dachte: Wow, was für eine Stimme! Ich war’s, die ihn für Covent Garden empfohlen, an die „Met“ und für unsere CD-Aufnahme der Butterfly. Es gab auch welche, die gesagt haben: „Kaufmann, wer ist das denn?“ „Vertraut mir“, habe ich geantwortet – und Recht behalten.
„Oben zu bleiben, das ist hart!“
Apropos Talente. Glauben Sie, ein junger Sänger, der diesen Beruf ergreift, weiß, was ihn auf der Opernbühne erwartet?
Gheorghiu: Ehrlich: Ich glaube, es ist besser, wenn er es nicht weiß. (lacht). Eines gilt wohl für alles, was man an Hürden im Leben nimmt: Wenn man sich selbst vertraut und mit ganzem Herzen dabei ist, dann geht das. Es ist ja auch hart Arzt zu sein oder Astronaut. Wissen Sie, es gibt Tausende Künstler auf dieser Welt. Aber wenn man es an die Spitze geschafft hat, von da an ist es unglaublich hart. Jede Sekunde, jeder Schritt von dir wird bewertet – zu jeder Zeit. Nach oben zu kommen, das kann schneller gehen als man denkt. Aber oben zu bleiben, das ist die Herausforderung.