Essen. . Der Geschäftsführer der „Theater & Philharmonie“, Berger Bergmann, hat in der Saison 2010/2011 erneut mehr eingespart als erwartet. Das Minus von 42,5 Millionen Euro, mit dem die Stadt den Betrieb der TuP bezuschusst, fiel um etwa 300.000 Euro geringer aus. Nun sei der Kämmerer am Zug, heißt es.

In den Fluren der städtischen Theater erzählt man sich folgendes Schauermärchen. Ruft eines Tages Berger Bergmann, der Geschäftsführer der „Theater- & Philharmonie“ (TuP), bei einem Haustechniker an und fragt, ob er in sein Büro kommen könne, um den wackligen Schreibtisch zu reparieren. Als der Angestellte dies bejaht, bekommt er zu hören: „Ach, für so etwas haben sie noch Zeit?“

Märchen müssen nicht wahr sein, um eine Wahrheit über etwas Wesentliches auszusprechen. Und zum Kern der Theater-Realität in dieser Stadt gehört, dass Bergmann das tut, wofür er im Jahr 2008 geholt wurde: Er spart rigoros. Nicht etwa aus einer masochistischen Laune heraus, sondern strikt nach Vorgaben des Sparhaushalts. Dass er gleichzeitig das Niveau in der Philharmonie, dem Aalto und im Schauspiel halten soll, wird in diesem Zusammenhang nicht nur gerne erwähnt; es wird erwartet. Dass das geht, halten andere für ein Märchen.

„Der Speck ist weg“

Bleiben wir aber bei den Zahlen, die Bergmann seinem Aufsichtsrat in Gestalt des Jahresabschlussberichts für die Spielzeit 2010/2011 (das Dokument liegt der NRZ vor) am vergangen Donnerstag vorgelegt hat. Demnach ist es dem TuP-Chef gelungen, den „erwirtschafteten Jahresfehlbetrag“ des vorherigen Jahres zu unterschreiten. Das Minus von 42,5 Millionen Euro, mit dem die Stadt den Betrieb der TuP bezuschusst, fiel somit um etwa 300.000 Euro geringer aus als vorgesehen. Am kommenden Mittwoch sollen die Zahlen dem Kulturausschuss vorgestellt werden, weshalb sich vorher niemand öffentlich dazu äußern mag.

Show must go on

"Wir lassen uns nicht kaputt sparen", war die deutliche Botschaft des Protestmarsches, an dem sich rund 1000 Menschen beteiligten. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Dabei machten die Mitarbeiter der Theater- und Philharmonie (TUP) deutlich, dass sie bereit sind zu sparen - aber nicht um jeden Preis. Foto: Kerstin Kokoska
Dabei machten die Mitarbeiter der Theater- und Philharmonie (TUP) deutlich, dass sie bereit sind zu sparen - aber nicht um jeden Preis. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Wenn Kulturschaffende demonstrieren, sieht das etwas anders aus. So gaben auch die Musiker eine Kostprobe ihres Könnens. Foto: Kerstin Kokoska
Wenn Kulturschaffende demonstrieren, sieht das etwas anders aus. So gaben auch die Musiker eine Kostprobe ihres Könnens. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Will kein Bauernopfer sein - eine Mitarbeiterin der TUP. Foto: Kerstin Kokoska
Will kein Bauernopfer sein - eine Mitarbeiterin der TUP. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Die betroffenen Mitarbeiter freuten sich über die große Solidarität. Foto: Kerstin Kokoska
Die betroffenen Mitarbeiter freuten sich über die große Solidarität. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Neben Essener Bürgern beteiligten sich auch Abordnungen der Düsseldorfer Rheinoper, des dortigen Balletts und des Bochumer Schauspielhauses an der Demo. Foto: Kerstin Kokoska
Neben Essener Bürgern beteiligten sich auch Abordnungen der Düsseldorfer Rheinoper, des dortigen Balletts und des Bochumer Schauspielhauses an der Demo. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Das Ballett zeigt vor dem Grillo-Theater... Foto: Kerstin Kokoska
Das Ballett zeigt vor dem Grillo-Theater... Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
...wieviel Energie in ihnen steckt. Foto: Kerstin Kokoska
...wieviel Energie in ihnen steckt. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Zu der Kundgebung vor dem Grillo gehörte auch eine Lesung. Foto: Kerstin Kokoska
Zu der Kundgebung vor dem Grillo gehörte auch eine Lesung. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Schüler des Werdener Gymnasiums, die sonst im Ballett „Queen“ mitmachen, tanzen auf dem Theaterplatz. Foto: Kerstin Kokoska
Schüler des Werdener Gymnasiums, die sonst im Ballett „Queen“ mitmachen, tanzen auf dem Theaterplatz. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Mit tosendem Applaus wurden die Akteure für ihre kurzen Kostproben belohnt. Foto: Kerstin Kokoska
Mit tosendem Applaus wurden die Akteure für ihre kurzen Kostproben belohnt. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Unzählige kreative Spruchbänder machten den Standpunkt der TuP deutlich. Foto: Kerstin Kokoska
Unzählige kreative Spruchbänder machten den Standpunkt der TuP deutlich. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Im Laufe des Protestmarsches schlossen sich immer mehr Menschen sponatn an. Foto: Kerstin Kokoska
Im Laufe des Protestmarsches schlossen sich immer mehr Menschen sponatn an. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Sie wollen doch nur spielen - werden die Sparpläne umgesetzt, wird es auch für die Schauspieler eng. Foto: Kerstin Kokoska
Sie wollen doch nur spielen - werden die Sparpläne umgesetzt, wird es auch für die Schauspieler eng. Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
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Zur Erinnerung: Bereits in 2009/2010 wurde das Defizit unter das vom Kämmerer geforderte Minus von 44 auf 43,33 Millionen Euro heruntergefahren. Damit konnte Bergmann seine Rücklagen auf 3,06 Millionen Euro ausbauen. Einige TuP-Angestellte legen das Bergmann als „übertriebenen Sparehrgeiz“ aus. Rückblickend betrachtet, lässt sich jedoch festhalten: Der TuP-Chef kommt mit vier Millionen Euro weniger aus als sein Vorgänger Otmar Herren. Das schont den städtischen Haushalt, das flößt den Kultur- und Finanzpolitikern in dieser Stadt gehörigen Respekt ein. Bergmanns Schreibtisch mag zwar immer noch wackeln, er sitzt jedenfalls fest im Sattel.

Intendanten auf Sparkurs

Mit der Erhöhung der Eintrittspreise allein war das Zahlenkunststück aber nicht zu vollbringen. Wie also macht Bergmann das? Nun, indem er seine Intendanten auf Sparkurs bringt. Das läuft freilich nicht ohne Konflikte ab. Anselm Weber zum Beispiel flüchtete aus dem Grillo ins Bochumer Schauspiel – aber nur, um dort wieder von Spardiskussionen eingeholt zu werden.

Und auch der Maestro im Aalto, Stefan Soltesz, fand in Bergmann seinen Meister in Sachen Haushaltsdisziplin. Seitdem wird weniger geprobt, was bei Orchestern tatsächlich Geld spart. Die ein oder andere Oper wird zudem schon mal ohne großes Theater, sondern nur mit dem Orchester aufgeführt. Und der Sonnenkönig aus der Philharmonie, Michael Kaufmann? Gilt als abgewickelt. Der Rest ist das, was man unter Unternehmensberatern ein „konsequentes Kostenmanagement“ nennt: Personalkosteneinsparungen (im Vergleich zum Vorjahr Minus von 300.000 Euro), Reduzierungen der Sachkosten und des Gästeetats (gegenüber der Spielzeit 2007/2008 Minus 3,7 Millionen).

Glaubt man dem Aufsichtsrat, war's das auch. Bereits im August vergangenen Jahres sagte ein TuP-Aufsichtsratmitglied der NRZ: „Der Speck ist weg, wenn wir weiter sparen, geht es an die Muskeln.“ Bergmann und seine Belegschaft haben geliefert, heißt es, nun sei der Kämmerer am Zug. Doch der hält sich vorerst bedeckt.

Mehrausgaben von 700.000 bis 800.000 Euro durch Lohnerhöhungen

1.500 Kulturfans demonstrieren gegen Sparpläne

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    Laut Ratsbeschluss schrumpft das von der Stadt zur Verfügung gestellte Budget für die „Theater & Philharmonie“ bis 2015 weiter – pro Jahr sind das zwei Prozent weniger. Das Streichkonzert ist also noch lange nicht beendet. Damit würde die TuP in den Jahren 2014 und 2015 auf unter 40 Millionen Euro Verlustausgleich rutschen. Zusätzlich soll der im Rahmen des vom Viererbündnis aus CDU, Grünen, FDP und Essener Bürgerbündnis beschlossene 1000-Stellen-Einsparplan bis zur Spielzeit 2012/2013 weitere Streichungen bei den Personalkosten bewirken – in Höhe von einer Millionen Euro.

    Und damit nicht genug: Nicht berücksichtigt in all diesen Sparaufforderungen sind die erwarteten Tarifsteigerungen im Bühnenbetrieb, vor und hinter den Kulissen, sowie im Orchestergraben. Bereits eine Lohnerhöhung von zwei Prozent bedeutet Mehrausgaben von 700.000 bis 800.000 Euro im Haushalt. Die Konsequenz daraus dürfte aber nicht die Schließung einzelner Theatersparten sein, sondern eine Unterstützung durch die TuP-Mutter, der Stadt, fordern Kulturpolitiker. Bleibt diese aus, sieht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Märkische Allgemeine“ den Bestand der TuP „unmittelbar gefährdet“.

    Bei den Tarifsteigerungen wird Hilfe angedeutet

    Und so erzählt man sich in den Fluren der TuP und beim Viererbündnis in diesen Tagen auch noch ein anderes Märchen. Das vom Herrn Tur Tur, dem Scheinriesen aus Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Je weiter man sich von diesem Tur Tur entfernt, desto größer scheint er. Wer neben ihm steht, erkennt jedoch, dass er nicht größer als ein gewöhnlicher Mensch ist. Will heißen: Die Sparanstrengungen der TuP sollen dadurch gewürdigt werden, dass die erwarteten Tariferhöhungen nicht von ihr allein geschultert werden müssen. Als Beispiel dafür wird die Suchthilfe-Einrichtung Café Kibbel genannt, die nur durch eine Budgetunterstützung in Höhe der Lohnerhöhungen gerettet werden konnte. Noch ist das aber nur ein aufmunterndes Szenario. Ein Märchen, wenn man so will, aber immerhin eines, das wahr werden könnte – heißt es im Viererbündnis.

    Mit Essen spielt man!

    Tomaten auf den Augen - haben die Besucher der neuen Spielzeit in Essen hoffentlich nicht. Foto: Schauspiel Essen
    Tomaten auf den Augen - haben die Besucher der neuen Spielzeit in Essen hoffentlich nicht. Foto: Schauspiel Essen © WAZ
    Mit Kleists
    Mit Kleists "Prinz Friedrich von Homburg" startet die Theatersaison am 30. September im Grillo-Theater. Foto: Schauspiel Essen
    "Osama der Held" von Dennis Kelly feiert am 1. Oktober seine deutschsprachige Erstaufführung in der Casa. Foto: Schauspiel Essen
    "Jede Menge Kohle" heißt die Aussteigerkomödie nach einem Film von Adolf Winkelmann, die am 2. Oktober im Grillo-Theater Premiere hat. Foto: Schauspiel Essen
    Bösartige Penner und abgestumpfte Geistliche sollen in dem Stück
    Bösartige Penner und abgestumpfte Geistliche sollen in dem Stück "Pounding Nails in the Floor with my Forehead" zu Wort kommen, das am 3. Oktober in der Box über die Bühne geht. Foto: Schauspiel Essen
    Die Junk-Oper
    Die Junk-Oper "Shockheaded Peter" wird dem altbekannten "Struwwelpeter" ab 16. Oktober im Grillo-Theater neues Leben einhauchen. Foto: Schauspiel Essen
    Seit der Uraufführung 2003 ist “Die Grönholm-Methode” ein Dauerbrenner auf europäischen Bühnen. Ab 17. Oktober ist das Stück in einer Inszenierung von Jan Pesel auch in der Casa zu sehen. Foto: Schauspiel Essen
    Seit der Uraufführung 2003 ist “Die Grönholm-Methode” ein Dauerbrenner auf europäischen Bühnen. Ab 17. Oktober ist das Stück in einer Inszenierung von Jan Pesel auch in der Casa zu sehen. Foto: Schauspiel Essen
    Neid und Rivalität unter Geschwistern sind der rote Faden, der sich durch das Stück
    Neid und Rivalität unter Geschwistern sind der rote Faden, der sich durch das Stück "Die Zweite Prinzessin" zieht, das ab 24. Oktober in der Box zu sehen ist. Foto: Schauspiel Essen
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    Ungewöhnliche Werbung für einen Klassiker: "Die kleine Meerjungfrau" nach Hans-Christian Andersen wird in der Fassung von Jörg Schade ab 7. November im Grillo-Theater ihre Bahnen schwimmen. Foto: Schauspiel Essen
    In Anlehnung an Schuberts
    In Anlehnung an Schuberts "Winterreise" wird als Uraufführung "Winterreise - Eine Spurensuche" ab 26. November im Grillo-Theater auf die Bühne gebracht. Foto: Schauspiel Essen
    Nach dem gleichnamigen Film von Hans Weingartner kommt das Stück
    Nach dem gleichnamigen Film von Hans Weingartner kommt das Stück "Die fetten Jahre sind vorbei" am 3. Dezember in die Casa. Foto: Schauspiel Essen
    Die Revue
    Die Revue "25 Sad Songs" von Thomas Krupa und Ari Benjamin Meyers wird am 29. Januar im Grillo uraufgeführt. Darin gehen die beiden dem Thema Singen in schwierigen Zeiten auf den Grund. Foto: Schauspiel Essen
    Mit
    Mit "Choke" stellt Cathleen Rootsaert ab 5. Februar in der Casa erstmals eines ihrer Stücke europäischen Publikum vor. Foto: Schauspiel Essen
    Klassiker:
    Klassiker: "Die Buddenbrooks" von Thomas Mann sind in einer Inszenierung von Christoph Roos ab 26. Februar im Grillo-Theater zu sehen. Foto: Schauspiel Essen
    Das Hip-Hop-Projekt
    Das Hip-Hop-Projekt "Headspin" wirbelt ab 26. März das Grillo-Theater auf. Schauspieler, Tänzer, Rapper und Sprayer untersuchen darin das Spannungsfeld zwischen Bürgerlichkeit und Protest. Foto: Schauspiel Essen
    Das Stück
    Das Stück "Corpus delicti" wirft einen Blick in eine schrecklich-schöne Zukunft, die angesichts der aktuellen Probleme im Gesundheitswesen gar nicht so irreal erscheint. Am 2. April feiert die Inszenierung von Juli Zeh in der Casa Premiere. Foto: Schauspiel Essen
    Als
    Als "panisches Kammerspiel für alle ab acht Jahren" preist das Schauspiel "Angstmän" an, der am 14. Mai auf der Bühne der Box steht, und das Thema Mobbing in Schulen behandelt. Foto: Schauspiel Essen
    In
    In "Das Bergwerk", das am 21. Mai Premiere im Grillo-Theater feiert, bringt der Pole Michal Walczak die Orientierungslosigkeit seiner Generation auf die Bühne. Foto: Schauspiel Essen
    Im Juni 2011 feiert das Projekt
    Im Juni 2011 feiert das Projekt "Balls - Fußball ist unser Leben!" in der Casa Premiere, mit der das Gemeinschaftserlebnis ins Licht gerückt werden soll. Foto: Schauspiel Essen
    Als mobiles Jugendstück wird
    Als mobiles Jugendstück wird "Erste Stunde" im Herbst 2011 die Theatersaison in Essen abschließen. Das Stück kommt in den Klassenraum; Anmeldungen an sabrina.wagner@schauspiel-essen.de. Foto: Schauspiel Essen
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