Essen.
Essens Schauspiel-Intendant Christian Tombeil zieht eine positive Zwischenbilanz seiner ersten Spielzeit. Die Auslastung ist gu und die Abonnentenzahl blieb konstant. Aber er fordert eine neue Diskussion um Inhalte - schließlich leiste das Theater Sozialarbeit.
Halbzeit der ersten Spielzeit für Christian Tombeil am Grillo-Theater. Nach durchwachsener Reaktion der Medien auf den Saisonbeginn und einer abgesagten Neuproduktion kann der Intendant gute Besucherzahlen und eine ebenso hohe Auslastung wie sein Vorgänger präsentieren. Auch die Abonnentenzahl blieb konstant, bei Teamwechseln am Theater nicht selbstverständlich. Dass Tombeil Essens erster nicht inszenierender Schauspielchef ist, darin sahen manche bereits ein Manko. Als Theatermanager und Vernetzer gelingt ihm jedoch offenbar schneller als anderen vor ihm der spartenübergreifende Dialog und der Kontakt zu Institutionen der Stadt.
Haben Sie sich Ihren Start in Essen einfacher vorgestellt?
Christian Tombeil: Nein, nach den Vorzeichen nicht. Jeder wusste, wo das Haus steht. Anselm Weber hat sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Und dann wurde auch noch gekürzt.
Die Auslastungszahlen sind gut. Etwas über 30 000 Besucher bis Ende Januar. Aber werden Sie die 90 000 oder sogar die magischen 100 000, die als Vorlage da sind, noch erreichen können?
Ich denke doch. Bis Ende Januar haben wir 166 Veranstaltungen gehabt. Am Ende dieser, wegen der späten Sommerferien, besonders langen Spielzeit, werden wir bei etwa 340 bis 400 liegen. In der letzten Saison waren es etwa 500, aber da wurde auch das Festival „Theater der Welt“ mitgezählt. Wir haben jetzt eine Auslastung von etwa 84 Prozent für alle Spielstätten. Das erreichen andere Häuser der Region oft nicht. Vor allem stehen wir aber wirtschaftlich sehr gut da. Wir liegen mit unseren Einnahmen sogar leicht über dem anvisierten Soll.
Wo waren Sie denn besonders erfolgreich?
Zunächst haben wir trotz des Neustarts keine Abonnenten eingebüßt. Das ist anderswo auch nicht immer so. Bei den Mini-Abos zu Weihnachten konnten wir sogar die Nachfrage nicht erfüllen, weil die Vorstellungen schon vorher voll waren. 130 Mini-Abos, mehr ging nicht. Wenn die TuP in allen Sparten etwa 1000 Weihnachtsabos zu den ohnehin 6000 festen Abonnenten verkauft, zeigt das doch, dass Kultur als Geschenk bei den Menschen eine enorme Wichtigkeit erreicht hat. Im Kinder- und Jugendbereich haben wir die Zahlen fast verdoppelt, was die Zuschauer, aber auch, was das Personal angeht. Von den etwa 31 000 Besuchern waren rund 13 500 Kinder und Jugendliche. Und das nicht nur bei den reinen Kinderstücken. In fast jeder Produktion verzeichnen wir auch Buchungen von Schulen.
Das Presseecho war bis jetzt, vorsichtig ausgedrückt, durchwachsen. Fühlen Sie sich von den Medien gerecht behandelt?
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Das Polarisieren in der Presse ist ja gut. Was ich nicht mag ist, wenn nicht wahrheitsgemäß, nicht richtig, berichtet wird. Wenn ich lese „reihenweise leere Plätze“ bei einer Premiere, in der von sechs freien Plätzen zufällig vier nebeneinander lagen, stimmt das einfach nicht. Ich frage mich, warum es kaum noch eine Stück-Kritik gibt, in der es nicht auch um kulturpolitische Statements geht, in denen zum Beispiel das gesamte Stadttheater in Frage gestellt wird. Was soll damit erreicht werden? In der lokalen Presse kamen wir, trotz der schwierigen Situation gut vor.
Wird in der Kunst generell zu viel über Geld und Zahlen geredet?
Ich finde, dass wir in allen Bereichen zu sehr über fiskalische Auswirkungen reden. Egal, ob es um Kultur, Soziales oder Infrastruktur geht, heißt es: Wer soll das bezahlen? Da ist sofort eine Schere im Kopf. Wir brauchen eine neue, stärkere Diskussion um Inhalte. Die können nicht nur finanzieller Natur sein. Das Theater leistet heute schon Sozialarbeit in Form kultureller Bildung, auch wenn das oft noch nicht richtig anerkannt und gewürdigt wird. Jugendliche, die von der Straße sind, nicht zuletzt auch durch Jugendclubs der Theater, brauchen erwiesenermaßen weniger Sozialleistungen. Letztlich muss die Politik entscheiden, wohin sie steuert. Ich denke da vor allem auch an Bund und Länder, deren Kulturausgaben heute nur etwa zwei Prozent des Gesamthaushalts betragen.
Wie geht es mit dem Grillo-Theater als Haus, als städtischem Treffpunkt weiter?
Ab Montag wird weiter umgebaut. Die Gastronomie liegt dann im Erdgeschoss, mit Außenterrasse und neuer Küche, die ein komplettes Speisenangebot ermöglicht. Das obere Foyer hat schon einen Durchbruch nach unten, der automatisch verschließbar sein wird, so dass wir dort auch Veranstaltungen durchführen können. Ich denke, so ergänzen wir die urbane Achse zwischen Lichtburg und Hirschlandplatz ideal.