Essen. Am Bahnhof Altenessen zeigten zwei 20-Jährige den Hitlergruß und riefen „Sieg Heil“. Vor dem Jugendschöffengericht bedauern die beiden ihr Verhalten und kommen mit einem blauen Auge davon - auch, weil die Tat nicht von großer Intelligenz geprägt ist.
Ausweislich einer Studie soll der Bereich um den Bahnhof Altenessen ein von Ausländern geprägter „Angstraum“ sein. Diese Erkenntnis ist bei den beiden Deutschen aus Altenessen noch nicht angekommen. Als sie mit einem Freund am 25. November gegen 22.30 Uhr mit der Straßenbahn vom Hauptbahnhof nach Altenessen fuhren, entdeckten sie beim Aussteigen auf der anderen Straßenseite eine Gruppe „von ausländischen Mitbürgern“, wie es einer der beiden Angeklagten am Mittwoch vor Gericht zurückhaltend formuliert.
Was macht man in einer solchen Situation in einem „Angstraum“? Die beiden schieben die Schuld auf ihren Freund, der ebenfalls angeklagt war, aber fehlt: „Er hat die beleidigt, wir hatten keinen Bock auf Stress und sagten, lass das sein“, erzählt einer von ihnen. Als die „ausländischen Mitbürger“ sich aber gar nicht provozieren ließen und gingen, „da haben wir Sieg Heil gerufen“. Ja, den Arm zum Hitlergruß hätten sie auch hoch gerissen.
"Wir waren schon gut besoffen“
Echte Gefahr drohte dem Trio in diesem Moment weniger von den ruhigen Ausländern, sondern von den Insassen eines Polizeiautos, das gerade vorbei fuhr. Auch Anwohner hatten sich an der rechtsradikalen Geste gestört. So kam es zum Verfahren wegen „Verwendens verfassungswidriger Abzeichen“. Dass Hitlergruß und Parole strafbar sind, sei ihnen schon bewusst gewesen, versichern sie. „Aber nicht in diesem Moment, denn wir waren schon gut besoffen“, zeigt sich einer von ihnen strafrechtlich gut sortiert. Beide haben schon vor Gericht gestanden: Diebstahl, Beleidigung, Missbrauch von Notrufen. Einer stand sogar unter Bewährung.
Jugendrichterin Melanie Krauß will den Hintergrund der Tat erhellen. Ob die Angeklagten ausländerfeindlich seien? Auf keinen Fall, beteuern sie: „Ich habe viele Ausländer als Freunde.“ Beide entschuldigen sich auch für das, was sie getan haben. Aus schwierigen familiären Verhältnissen stammen beide. Zur Sonderschule gingen sie, von Berufsausbildung ist wenig zu hören. Beide sind dabei, eigene Familien zu gründen, Kinder sind unterwegs. Eine Entwicklung, die das Gericht eher mit der Sorge erfüllt, ob die Angeklagten dieser Verantwortung gerecht werden.
„Leugnen hätte wenig gebracht, wenn man so doof ist"
Die Richterin nimmt sich viel Zeit, den beiden zu verdeutlichen, aus welchen Gründen sich gerade in Deutschland solche Parolen verbieten: „Ich könnte noch so besoffen sein und käme gar nicht auf die Idee, so etwas zu sagen“, sagt sie. Das Gericht wolle es den beiden mal abnehmen, dass sie nicht im rechten Milieu beheimatet sind. „Wenn ihr noch einmal mit so etwas kommt, glauben wir es nicht mehr.“
Verwarnt wird der eine, muss 100 Arbeitsstunden leisten. Der andere Angeklagte brachte eine Vorstrafe von sechs Monaten mit, die jetzt auf sieben erhöht und zur Bewährung ausgesetzt wird. Auch er muss 100 Stunden Arbeit leisten. Richterin Krauß lobt das Geständnis, schränkt das aber ein wenig ein: „Leugnen hätte auch wenig gebracht, wenn man so doof ist, bei einem vorbeifahrenden Polizeiauto den Arm rauszustrecken.“