Essen. .

Der Altessener Bahnhof sei kein sicheres Pflaster: Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des „Jugendhilfe Netzwerk Nord“ der Arbeiterwohlfahrt. Dort ansässige libanesische Kaufleute sehen sich nun unter Generalverdacht und fordern Aufklärung.

„Angstraum“ Bahnhof? Libanesische Geschäftsleute aus Altenessen wehren sich gegen pauschale Vorwürfe. Hassan Mustapha hat Zeitung gelesen, und er wollte nicht glauben, was da schwarz auf weiß geschrieben stand.

Kaufleute sehen sich unter Generalverdacht

In dem Artikel berichtete die WAZ über eine Umfrage auf dem Altenessener Markt. Das „Jugendhilfe Netzwerk Nord“ der Arbeiterwohlfahrt wollte von Passanten wissen, was ihnen zum Thema Sicherheit im Stadtteil einfällt. Die Aussagen waren teils erschreckend. Auch Hassan Mustapha ist empört. Er betreibt den Arabischen Markt und das Haarstudio Sara am Bahnhof Altenessen. Über das Umfeld hatten sich Passanten in der Umfrage der Jugendhilfe beklagt. Hassan Mustapha und sein Bruder Walid fühlen sich unter Generalverdacht.

Zu Unrecht. „Ich versuche hier etwas aufzubauen und meinen Namen aus dem Dreck zu ziehen“, ereifert sich Hassan Mustapha. Er könne nichts dafür, „wenn meine Landsleute Mist bauen“.

Der Ladeninhaber meint Libanesen, die in dieser Stadt für Schlagzeilen gesorgt haben. Thomas Rüth vom Netzwerk Jugendhilfe spricht von Clan-Strukturen und von organisierter Kriminalität.

Auch Hassan und Walid Mustapha stammen aus dem Libanon. 1986 sind sie als Flüchtlinge nach Essen gekommen. Hier hat sich die Familie eine Existenz aufgebaut. Den Arabischen Markt an der Altenessener Straße betreibt die Familie seit 1993. „Wir sind erfolgreich“, sagt Walid Mustapha. Man halte sich an Regeln und Gesetze. „Wir sind Stammkunden bei der EBE“, sagt Hassan Mustapha und wehrt sich gegen den Eindruck, faules Gemüse werde nicht in der Mülltonne entsorgt, sondern illegal hinter der nächsten Ecke.

Libanesen verstehen die Unsicherheit der Passanten nicht

Die Mustaphas leiden unter Pauschalisierungen. Walid Mustapha führt den Reporter vor die Tür. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht eine Gruppe Frauen. Es sind Erzieherinnen aus dem Evangelischen Kindergarten. „Ist das hier ein Angstraum“, fragt Walid Mustapha und spielt auf die Berichterstattung in der Zeitung an. „Vor Ihnen habe ich keine Angst“, sagt eine aus der Runde und lacht. Und was ist mit den Jugendlichen am Bahnhof? Mustapha winkt ab: alles Imponiergehabe.

Prügeleien auf der Straße

Auch der Filialleiter der Sparkasse wird als Leumund bemüht. Er könne nichts Negatives sagen. Zwei Mal aber sei es vor der Tür zu Massenschlägereien gekommen. Dass Bürger Angst hätten, das könne er schon verstehen.

Walid Mustapha weiß von Familienauseinandersetzungen, die auch schon auf der Straße ausgetragen wurden, bemüht sich aber sichtlich, die Konflikte tiefer zu hängen: Das seien einige wenige. Mit ihnen in einen Topf werfen lassen, wollen die Mustaphas sich jedenfalls nicht.

Das Büro für interkulturelle Arbeit spricht von einer „inneren Differenzierung“, wenn es Libanesen in Essen beschreibt. „Den“ Libanesen gebe es nicht - so wenig wie „den“ Deutschen oder „den Essener“. Wenn es um die Frage der Integration geht, gebe es Erfolgreiche und solche, die scheitern.

Viele werden straffällig

Das Büro für interkulturelle Arbeit macht für letzteres auch den Rechtsstatus verantwortlich, unter dem viele Libanesen in Essen leben. Sie sind nur geduldet, hätten dadurch keinerlei Perspektive. Hinzu komme mangelnde Bildung. Fast 40 Prozent der Jugendlichen verlassen die Schule ohne Abschluss. Fast jeder dritte Heranwachsende libanesischer oder kurdisch-libanesischer Herkunft werde straffällig, heißt es in einem Bericht des Büros.

Das alles prägt Bilder in den Köpfen. Bilder, wie sie auch Passanten bei der Befragung durch das Jugendhilfe Netzwerk der Arbeiterwohlfahrt auf dem Altenessener Markt zeichneten. „Uns“, bedauert Walid Mustapha, „hat die Awo noch nicht befragt“.