Essen. Menschen aus aller Welt kommen mit nichts als der Hoffnung nach Essen. Wie die afghanische Familie, die mit vier Kleinkindern am Hauptbahnhof strandete und dort von der Bundespolizei aufgelesen wurde. Die meisten Flüchtlinge haben aber eine nicht so lange Reise: Sie stammen vom Balkan.

Sie standen verloren am Hauptbahnhof Essen: drei Erwachsene, vier Kleinkinder, es war bald Mitternacht. Man sah, dass ihnen nicht nur die Strapazen einer Zugfahrt in den Knochen steckten – „und dass sie nicht nach dem Taxistand suchten, sah man auch“, sagt Jürgen Karlisch, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Dortmund, die auch für den Essener Bahnhof zuständig ist. Am vergangenen Freitag ging es da nicht um Ladendiebstahl, Trunkenheit oder um Randale, sondern um das Ende einer Flucht, die im fernen Afghanistan begonnen hatte.

„Da müssen die Kollegen umschalten auf Beschützer.“ Mit Händen und Füßen machte die Familie ihr Anliegen klar, das der Polizeibericht später so übersetzte: Sie stellten ein Schutzersuchen. Wie sie bis Essen gelangt waren, kann sich Karlisch ungefähr vorstellen: Mancherorts habe das Schleuser-Geschäft den Drogenhandel fast überholt; da böten Netzwerke „skrupelloser Menschenhändler“ alles von der riskanten Billigflucht für 2500 Euro bis zur Garantie-Schleusung mit Mehrfachversuchen à 16.000 Euro. Da landen die einen in Nussschalen an der Küste Lampedusas, andere werden eingepfercht in Kleinbusse, bis Süddeutschland gebracht und dort im Nirgendwo abgesetzt.

In Dortmund werden Flüchtlinge einer Stadt zugewiesen

„Viele schlagen sich von da allein durch und landen mit dem Zug im Ruhrgebiet“, so Karlisch. 700 Fälle habe die Bundespolizei Dortmund 2013 gezählt, in diesem Jahr waren es schon doppelt so viele. Mit Hilfe von Dolmetschern haben die Ermittler auch die in Essen gestrandeten Afghanen befragt, um etwas über mögliche kriminelle Hintermänner zu erfahren. Danach kam die Familie in die Erstaufnahme in Dortmund, von wo aus sie einer Stadt in NRW zugewiesen wird.

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Es könnte Essen sein. Doch wie die Grafik auf dieser Seite zeigt, ist die Zahl der Afghanen, die hier in Asylheimen leben, im vergangenen Jahr sogar gesunken. Zwölf Dauerunterkünfte und fünf Behelfseinrichtungen betreibt die Stadt, 1039 Asylbewerber leben dort derzeit. Die meisten stammen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina; jenen Balkanländern, die die Bundesregierung jüngst als sichere Herkunftsstaaten eingestuft hat. Sie haben praktisch keine Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden, und sollen rasch abgeschoben werden. Viele haben das schon erlebt, sind später erneut eingereist: „Diese Folgeantragsteller werden immer derselben Stadt zugewiesen, wir müssen sie aufnehmen“, sagt Hartmut Peltz aus der Sozialverwaltung.

Dass dagegen relativ wenige Asylbewerber aus den Krisenregionen der Welt in den städtischen Unterkünften landen, hat einen weiteren Grund: Auch die 450 Flüchtlinge im Opti-Park werden auf die Quote der Stadt angerechnet, obwohl dieses Heim vom Land betrieben wird. Wegen des ständigen Wechsels dort kann die Bezirksregierung Arnsberg zu ihrer Herkunft nur sagen: Sie stammen aus 25 Ländern, und die Spitzenplätze belegen (wie bundesweit) Eritrea, Syrien, Serbien.