Donnerstag, 18 Uhr – wahrlich nicht die übliche Zeit für die ehrenamtlichen Politiker im Sozialausschuss. Die Sondersitzung gestern Abend, sie galt mehr dem sorgenvollen Blick zurück: Gibt es auch in städtischen Flüchtlingsheimen Übergriffe oder Versäumnisse, die sich mit jenen im landeseigenen Groß-Asyl am Opti-Gewerbepark vergleichen lassen?

Nein, heißt die erleichterte Antwort, selbst der umstrittene Sicherheitsdienst SKI habe bis dato keinen Grund zur Klage gegeben, wurde aber dennoch ausgetauscht, sicherheitshalber.

Dass die Politik nach abendlicher Debatte nicht sonderlich beschwingt auseinandergegangen sein dürfte, liegt an einem anderen Umstand. Denn in einem schriftlichen Sachstandsbericht hatte die Stadt skizziert, wie sich die Asyl-Lage im kommenden Jahr darstellen könnte.

Noch klappt die Vermittlung in Wohnungen

Es war eine simple Rechnung, die von drei unterschiedlichen Grundannahmen ausging: von 200.000, 250.000 oder gar 300.000 neuen Asylbewerbern, die da im kommenden Jahr an die bundesdeutsche Türe klopfen. Zum Vergleich: In diesem Jahr geht das Bundesamt für Migration Flüchtlinge von rund 200.000 Flüchtlingen aus.

Schon wenn sich diese eher zurückhaltende Kalkulation auch 2015 bewahrheitet, kalkuliert die Stadt Essen mit 850 neuen Plätzen, die zwischen Karnap und Kettwig in Flüchtlings-Unterkünften einzurichten wären – und zwar noch über jene 800 hinaus, die in der so genannten Erstaufnahme-Einrichtung auf dem Gelände des einstigen Milchbetriebshofs „Kutel“ in Fischlaken geplant sind. Würden 250.000 Menschen nach Deutschland finden, stiege die Zahl der zusätzlich erforderlichen Plätze in Essen auf 1.100, bei 300.000 Asylbewerbern bundesweit wären es sogar 1.300.

Schlichte Folge: Die von der Stadt Essen ins Auge gefassten Asylheim-Standorte, die wegen der Verhandlungen über das riesige „Kutel“-Asyl erst einmal aus dem Blickfeld geraten sind, würden schon Anfang kommenden Jahres wieder auf den Verhandlungstisch kommen. Und sie würden wohl nicht ausreichen, denn noch wirkt ja das landeseigene Groß-Asyl im Opti-Gewerbepark mit seinen 450 Bewohnern dämpfend auf die Zuweisungsquote.

Die städtische Kalkulation berücksichtigt dabei schon, dass Hunderte von Flüchtlingen im Verlauf des Jahres entweder ausreisen oder aber in normale Wohnungen vermittelt werden können, bis zu 800 könnten das sein, heißt es, „der Wohnungsmarkt in Essen gibt das glücklicherweise her“.

Sollten sich die Szenarien, deren Höchststand jeweils im November des Jahres registriert wird, bewahrheiten, dann dürfte wohl auch für manche Behelfsunterkunft die alte Weisheit gelten: Nichts ist haltbarer als ein Provisorium – von den Kosten ganz zu schweigen.

Um wenigsten das Zusammenleben mit den Flüchtlingen für alle Beteiligten zufriedenstellend zu organisieren, gab die Stadt gestern auch Einblick in ihre Überlegungen, wie denn ein Betreuungskonzept aussehen könnte.

Danach ist geplant, tagsüber von 7 bis 17 Uhr in jeder Unterkunft einen erfahrenen Mitarbeiter von Caritas oder Diakonie vorzuhalten, der als Ansprechpartner in allen Fragen parat steht. Für die Sicherheit in den Einrichtungen soll die städtische RGE Servicegesellschaft garantieren, die außerhalb der Betreuungszeiten mit jeweils zwei Mitarbeitern vor Ort sein soll. Sie dienen auch als Ansprechpartner für Anwohner. Und als Vermittler – damit Sondersitzungen die Ausnahme bleiben.