Essen. . Weil in der Asylunterkunft im Essener Opti-Park die Windpocken aufgetreten waren, musste das Gesundheitsamt zügig 350 Bewohner impfen. Vier bis fünf Ärzte und ebensoviele Arzthelferinnen arbeiteten ohne Unterlass. Der Einsatz hilft auch, Standards zu entwickeln, die bald landesweit gelten könnten.

Es war ein Notfall, der das Essener Gesundheitsamt bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachte. Doch nun könnte sich der Einsatz als lehrreich fürs ganze Land erweisen.

Vor zwei Wochen wurden bei zwei Geschwistern in der Asylunterkunft im Opti-Park die Windpocken festgestellt. „Die heißen halt so, weil sie wie der Wind fliegen“, sagt Rainer Kundt, Leiter des Gesundheitsamtes. „In einer Gemeinsschaftseinrichtung stecken sich ruckzuck viele Bewohner an.“ Und für Schwangere, Ältere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem könne die Kinderkrankheit riskant sein.

Kinder kamen in Quarantäne

Man musste handeln: Die beiden Kinder kamen in Quarantäne, die anderen Bewohner wurden untersucht und geimpft. Vier bis fünf Ärzte und ebensoviele Arzthelferinnen des Amtes arbeiteten ohne Unterlass in der Unterkunft; ein niedergelassener Kinderarzt habe engagiert geholfen, lobt Kundt. So wurden 350 Bewohner zügig geimpft.

Während der Aktion gab es einen Aufnahmestopp: „Wir mussten ja verhindern, dass wir die Windpocken weiterverteilen“, sagt Kundt. Das Land nutzt den Opti-Park als Notunterkunft, weil die zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen chronisch überfüllt sind. Die Flüchtlinge werden von hier auf Privatwohnungen oder auf städtische Dauerunterkünfte verteilt. Die Einrichtung hätte also zur Drehscheibe für Windpocken werden können, hätte man die Verlegungen nicht ausgesetzt.

Viele wertvolle Erfahrungen

Umso überraschender sei es, dass es bisher noch kein „einheitliches Impf-Management“ für solche Heime gebe, findet Kundt. „Meist wird die Lunge geröntgt, um Tuberkulose auszuschließen; ansonsten verlässt man sich auf die Selbstauskunft der Neuankömmlinge, ob sie gesund sind.“ Dass das womöglich zu wenig ist, hat nun auch das Land erkannt: Die Stadt Essen wurde a) gelobt und b) von der Bezirksregierung gebeten, allgemeine Standards mitzuentwickeln. Ginge es nach Kundt, würden in Zukunft alle Kinder und Jugendlichen, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung ankommen, „gemäß der Empfehlung der Ständigen Impfkommission geimpft werden“.

Also etwa gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken und Keuchhusten; bei Erwachsenen solle ein Antikörpernachweis gegen diese Krankheiten gemacht werden. Das NRW-Gesundheitsministerium arbeite bereits an einem Erlass, in dem diese und andere Empfehlungen aus Essen eingearbeitet werden, sagt Sozialdezernent Peter Renzel. „Wenn das Standard wird, bedeutet das für alle Kommunen mehr Verlässlichkeit.“ Auch in den Essener Dauerunterkünften kämen dann Flüchtlinge an, die den wichtigsten Impfschutz schon erhalten haben. Auf lange Sicht spare das Geld und Personaleinsätze, so Renzel: „Dafür hat sich der einmalige Großeinsatz mit Arbeit bis in die Nacht gelohnt.“

Kundts Team hat zudem wertvolle Erfahrungen gesammelt: „Es gibt ja keine Zwangsimpfung, wir bieten das nur an. Aber wir wurden von den Leuten geradezu dankbar empfangen. Wenn wir nur einen Ansprechpartner unter den Flüchtlingen haben, der das Vertrauen der anderen genießt, ist das Gold wert.“