Essen. Bundesweit ist die Zahl der Masernfälle um das Zehnfache gestiegen. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor. In Essen reagiert man gelassen – viele seien ausreichend geimpft, nur im Süden gebe es Probleme. Die Impfmüdigkeit ist besonders bei Familien mit hoher Bildung ausgeprägt.

„Im Norden der Stadt ist die Impfbereitschaft höher, im Süden leider deutlich geringer“, beklagt Dr. Jutta Ophoff, stellvertretende Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdiensts im städtischen Gesundheitsamt. Nicht jeder Essener sei heute ausreichend gegen meldepflichtige Krankheiten wie Masern, Mumps und Röteln geschützt.

Vor dem Hintergrund einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts könnte dies beunruhigen: Demnach ist die Zahl der Masernfälle in Deutschland im vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen. Bundesweit erkrankten 1770 Menschen, im Vorjahr waren’s 165. In NRW lag die Zahl der Erkrankten immerhin noch sechsmal höher als 2012. Sie stieg von 18 auf 128 Fälle. Besonders betroffen waren junge Erwachsene und Jugendliche.

Bisher keine Masernfälle in Essen

Auch wenn die bundesweiten Zahlen alarmieren sind, bleibt Ophoff gelassen: „Wir haben in der Stadt Essen eine ganz gute Impfsituati­on. So haben wir bei den Einschülern richtig gute Zahlen. Das Problem sind aber auch bei uns die über 20-Jährigen.“ In diesem Jahr habe es noch keinen (gemeldeten) Erkrankungsfall mit Masern gegeben, vergangenes Jahr waren es drei (gemeldete) Fälle bei Masern. Hinzu kamen drei Patienten mit einer Mumpserkrankung sowie ein weiterer mit Röteln.

Was die Studie festgestellt hat und was ebenso in Essen gilt: Die Impfmüdigkeit ist ausgerechnet bei Familien mit hoher Bildung besonders ausgeprägt, wie der vom Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung erstellte Versorgungsatlas zeigt. Viele hätten aber auch einfach kein Gespür mehr dafür, dass es sich bei Masern um eine gefährliche, hoch ansteckende Infektionskrankheit handelt.

Komplikationen bei fünf Prozent der Fälle

Ophoff: „Daher freut es mich, dass die Menschen im Norden, wo viele eine Migrationsgeschichte haben, für Impfempfehlungen aufgeschlossen sind. Aus der Familiengeschichte haben sie oft Erfahrung mit Masern und Ähnlichem. Daher wissen sie, wie wichtig Impfen ist.“ Im Essener Süden seien die Erinnerung an Masern hingegen verblasst.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts kommt es bei fünf Prozent der Fälle zu Komplikationen wie Lungen- oder Gehirnentzündung, nicht selten mit tödlichem Ausgang. So führt jede 1000. Masern-Erkrankung durchschnittlich zum Tod. Im vergangenen Jahr sorgte etwa der Fall eines 14-Jährigen aus NRW für Aufsehen, der infolge einer lange zurückliegenden Masern-Infektion an einer Gehirnentzündung starb.

95 Prozent der Deutschen müssten immun sein, um die Krankheit ganz auszurotten. Doch nur 92 Prozent der Menschen haben sich zweimal impfen lassen. Die notwendige zweite Impfung würde gerne vergessen, doch Nachimpfen ist möglich.

Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Impfkosten

Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen die Impfung für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, die in der Regel als Dreifachimpfung verabreicht wird und Schutz vor gleich drei Krankheiten bietet: Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung).

„Weil die zweite Impfung jedoch oftmals versäumt wurde, übernehmen die Kassen für alle, die nach 1970 geboren wurden, ebenfalls die Impfkosten“, sagt Karin Hendrysiak, Pressesprecherin des BKK-Landesverbandes Nordwest. Schließlich würden mehr als die Hälfte der Masernfälle Jugendliche und junge Erwachsene treffen. Dazu Hendrysiak: „Es ist also keinesfalls eine reine Kinderkrankheit.“ Wer nicht weiß, ob er ausreichend geimpft ist, sollte sich an seinen Hausarzt wenden.