Essen. Auf Bürgerversammlungen zum Thema Asyl hat der Essener Sozialdezernent schon Pöbeleien, Unmut und Drohungen erlebt. Doch dieser Tage trifft Peter Renzel vor allem auf Bürger, die ihren neuen Nachbarn in den Asylheimen helfen wollen.

Pöbeleien, Unmut und Drohungen – auf Bürgerversammlungen zum Thema Asyl hat Sozialdezernent Peter Renzel in der Vergangenheit schon manch unschöne Szene erleben müssen. Doch nun habe sich die Stimmung gedreht: Wo immer eine Asylunterkunft geplant sei, treffe er jetzt auf Bürger, die anpacken wollen, die darauf brennen, den Flüchtlingen zu helfen.

In den vergangenen Wochen hat sich Renzel an sieben Standorten, an denen neue Unterkünfte für Flüchtlinge entstehen sollen, den Nachbarn gestellt. „Und ich habe in keiner Weise irgendwelche Hetze erlebt.“ Es gebe immer Bürger, die Sorgen äußern, die mehr Lärm und Müll in der Nachbarschaft befürchten, aber die Stimmung sei nun von Wohlwollen geprägt: „Die Menschen reagieren aufgeklärter als vor einem Jahr. Den größten Applaus gab’s auf den Versammlungen für die Leute, die sagten: ,Wir müssen uns kümmern und einen Runden Tisch einrichten’.“

Ein solcher ist jetzt in der Nachbarschaft der Tiegelschule im Nordviertel entstanden, wo die allerersten Reaktionen auf ein mögliches Asylheim noch von Ablehnung geprägt waren. Bei der Bürgerversammlung meldeten sich dann diejenigen, die Deutschkurse, Hausaufgabenbetreuung, Spiel- und Sportangebote machen wollen – der Runde Tisch war geboren. An diesem Montag schickte er eine Delegation in die Dilldorfschule in Kupferdreh, die bereits seit vergangenem Jahr als Behelfseinrichtung genutzt und rund um die Uhr von European Homecare betreut wird.

Zusätzliche Deutschkurse für Ambitionierte

Das Essener Unternehmen, für das auch Sozialbetreuer Beytullah Seker arbeitet, sorgt für Sicherheit und ist Ansprechpartner für Bewohner und Nachbarn. Mit Erfolg: Renzel nennt Dilldorf „eine Vorzeigeeinrichtung“, die im Stadtteil verwurzelt ist. Den Besuchern aus dem Nordviertel zeigt Seker Küche, Ess- und Aufenthaltsraum sowie einen – derzeit unbewohnten – Schlafsaal: Zwölf karge Etagenbetten stehen da, Spinde dienen als Raumteiler. Wer Probleme mit dem Rücken habe, erhalte eine bessere Matratze, beschwichtigt Seker auf Nachfrage. Das Essen stamme vom selben Caterer, der auch die benachbarte Kita beliefert; hier enthalte es mit Rücksicht auf die Bewohner nie Schweinefleisch. An der Speiseausgabe hängt außerdem ein dreisprachiger Zettel mit Wendungen wie „kein Apfel“, „keine Banane“, „kein Zucker“.

Wer von den etwa 50 Bewohnern noch mehr Deutsch lernen möchte, kann an einem Kurs teilnehmen. Die Kinder besuchen ohnehin die Schule, sagt Thomas Römer aus der Sozialverwaltung, der den Runden Tisch begleitet. Bei den Aufgaben helfen ihnen Ehrenamtliche. Hausaufgabenbetreuung – das könnte sich auch Sophia Kock (19) aus dem Nordviertel vorstellen: „Wenn ich je flüchten müsste, würde ich ja auch hoffen, dass man mich freundlich empfängt.“