Essen. Der Essener FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel veröffentlicht seit Jahren die Zahlen der Lernstandserhebung von Achtklässlern – und ist so etwas wie der Quälgeist der Gesamtschulen. Diese schneiden laut Witzel schlecht ab. Im Schulministerium ist man nicht glücklich über Witzels Veröffentlichungen.

Er ist so etwas wie der Quälgeist der Gesamtschulen, und auch nach der neuen Lernstandserhebung von Achtklässlern an den NRW-Schulen wird der Essener FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel unter Lehrern dieser Schulform keine neuen Freunde finden. „Der Kenntnisstand in den Gesamtschulen ist weiterhin erschreckend gering, Eltern sollten das wissen“, meint Witzel, der die Zahlen des Schulministeriums seit Jahren veröffentlicht und die Test-Ergebnisse 2014 als erneuten Beleg für seine These heranzieht.

Demnach erzielten in Mathematik, bei der Lesefähigkeit und beim Verständnis der deutschen Sprache Gesamtschüler im Grundkursbereich in der Regel nur das an Hauptschulen übliche Niveau. Selbst in den leistungsstärkeren Erweiterungskursen (EK), die auf die Oberstufe vorbereiten sollen, würde nicht entfernt gymnasiales Niveau erreicht, moniert Witzel.

Schlechte Meinung vom Gesamtschulabitur

Beispiel Lesen: 71 Prozent der Hauptschüler blieben hier in den untersten Kategorien, aber auch 69 Prozent der Essener Gesamtschüler im Grundkursbereich. Beispiel Mathematik: Bei der Einteilung in Kategorien von null bis fünf blieben 13 Prozent der Essener Gymnasiasten unterdurchschnittlich, sogar in den EKs der Gesamtschule waren es aber 73 Prozent - „also der absolute Regelfall“. Witzel hat deshalb auch keine hohe Meinung vom Gesamtschulabitur. Dass die Aufgaben in Zeiten des Zentralabis gleich sind, ändere daran wenig. „Die Abschlussarbeiten fließen nur zum Teil in die Gesamtnote ein.“ Zudem würden die selben Arbeiten von Gymnasial- und Gesamtschullehrern oft anders benotet.

Auf Basis der Zahlen bricht Witzel eine Lanze für die politisch unter Druck geratene Realschule: „Der durchschnittliche Realschüler ist klar leistungsstärker als der durchschnittliche Gesamtschüler.“ Selbst in der Teilgruppe der besseren Gesamtschüler in den EKs befänden sich mehr schwache Schüler als in einer durchschnittlichen Realschulklasse.“

Schulministerium kritisiert Veröffentlichungen

Kann man das alles so drastisch sagen? Im Schulministerium ist man nicht glücklich über Witzels Veröffentlichungen. Die Zahlen, die er stets nur auf Parlamentsanfrage erhält, seien für den internen Gebrauch bestimmt, und für Rankings und Vergleiche zwischen den Schulformen ungeeignet. „Das ist ein Instrument für Schule und Lehrer, um zu sehen, wie man im Vergleich mit anderen dasteht“, so ein Sprecher des Schulministeriums.

„Unsinn, das ist nur politisch nicht gewollt“, kontert Witzel, der der Landesregierung vorwirft, sich ihre Illusionen in Bezug auf die Gesamtschule erhalten zu wollen. „Hier haben wir Ergebnisse nach landesweiten Standards von allen Schülern - warum sollen diese Daten nicht vergleichbar sein?“

Schulen haben "ungünstiges" Umfeld

Die Essener Schulen insgesamt erreichen bei der Lernstandserhebung nicht ganz das Durchschnittsniveau in NRW. Nimmt man aber die Zahlen nur für das Ruhrgebiet als Maßstab, steht Essen besser da. „Das liegt an der vergleichsweise hohen Zahl von Gymnasiasten“, meint Witzel, der aber vor Selbstzufriedenheit warnt. Zu kritisieren sei, dass das Schulministerium vielen Essener Schulen ungünstige soziale Standortvoraussetzungen attestiere. Das berge die Gefahr, dass Minderleistungen verständlich erschienen und man sich mit ihnen abfinde.

Faktoren für die Einteilung sind etwa die Zahl von Migranten, Hartz-IV-Empfängern und Arbeitslosen im Umfeld der jeweiligen Schule. Folge: Nur vier von 49 weiterführenden Schulen haben demnach ein „günstiges“ Umfeld, aber 22 Schulen ein ungünstiges. Selbst die Bredeneyer Gymnasien Grashof und Goethe rangieren in einer Skala von eins („günstig“) bis fünf („ungünstig“) nur bei drei. Für Witzel setzt das völlig falsche Signale.