Alter Bergbauschacht in Essen direkt unterm Wohnzimmer
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Essen. . Im 18. Jahrhundert erlebte Essen die erste Blütezeit des Bergbaus. Weil die Flöze bis (fast) an die Tagesoberfläche reichten, entstanden südlich der heutigen A40 zahlreiche Zechen. Weil die Schächte oft schlecht verfüllt wurden, besteht die Gefahr von Tagesbrüchen. Nun wird saniert.
Irgendwann im letzten Jahr standen fremde Männer bei Ralf Gördemann vorm Haus. Sie inspizierten, notierten, fotografierten. Und teilten dem überraschten Hauseigentümer aus der Überruhrstraße 45 schließlich Unglaubliches mit: „Unter Ihrem Haus soll sich ein alter Bergbauschacht befinden und offenbar noch einer im Garten.“
„Ich musste zuerst schlucken und war skeptisch“, sagt Gördemann. Seit drei Wochen ist sein Grundstück eine Baustelle. Es wird erkundet und gebohrt, danach verfüllt und verpresst. Im Garten liegen meterlange, oberarmdicke Schläuche, im klammen Mutterboden stecken schon 14 Bohrlöcher und über die Straße hat der Trupp von „Beton & Monierbau“ eigens eine „Schlauchbrücke“ gesetzt.
Nun, Gördemanns Skepsis ist längst dem beruhigenden Gefühl gewichen, dass hier wortwörtlich mit Hochdruck Gutes geschieht. „Ich bin froh, dass das jetzt alles gemacht wird“, sagt der 53-Jährige. Schon seit fünf Jahrzehnten wohnt er hier, das Haus ist sein Elternhaus. Nie sei ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen, betont er. „Neulich waren Gutachter hier und auch die haben nicht einen einzigen Riss gefunden.“ Wahrscheinlich liegt der Schacht direkt unterm Wohnzimmer.
Kehrseite des Kohle-Booms macht sich bemerkbar
Egal, ob Problemstollen am Hauptbahnhof, alter Schacht mitten auf der A 40 oder jetzt Überruhrstraße. Stets hat die Behörde dieselbe sensible Abwägung zu treffen: Muss unbedingt jetzt saniert werden, wo doch 50, 100 oder gar 150 Jahre alles gut gegangen ist?
Für Peter Hogrebe, den Leiter des Dezernats 63 - Altbergbau bei der Bezirksregierung, ist die Faktenlage indes eindeutig. Der „Fall Überruhrstraße“ rangiert in seiner Risikomanagement-Prioritätenliste auf Rang 48 – und somit mit der zweiten Baustelle am Uhlenkrug (Wittenbergstraße 69) weit oben.
Wo jetzt die Gördemanns wohnen, an der viel befahrenen Überruhrstraße, hat die „Zeche Gewalt“ in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Kohle abgebaut. Es war die erste Blütezeit des Ruhrbergbaus. In einem mit schwarzem Gold gesegneten Landstrich, in dem Flöze wie Dickebank, Donnersgatt, Wasserfall, Sonnenschein und Zollverein bis (fast) an die Oberfläche führten.
Mit schneller Operation ist nicht zu rechnen
Jetzt, 150, 200 Jahre später macht sich die Kehrseite dieses Kohle-Booms bemerkbar. „Südlich der A 40, von Mülheim, Essen, Hattingen über Witten und Sprockhövel bis Dortmund, ist das Ruhrgebiet durchlöchert wie ein Schweizer Käse“, sagt Hogrebe. Allein auf der Überruhrstraße gibt’s zwischen Langenberger Straße und Hinseler Feld drei Baustellen mit sechs alten Förder- und Wetterschächten. Werden die mit Lockermassen verfüllten Schachtsäulen nicht saniert, drohen eines Tages gefährliche Tagesbrüche.
Die Ausgangslage ist stets dieselbe. Die Arnsberger verfügen über „antike“, aber oft ungenaue Grubenfeld-Zeichnungen mit geschwungener Handschrift, allein bei 1800 alten Bergwerken gibt’s keinen Rechtsnachfolger mehr. So auch in Überruhr.
„Ob die Eintragungen von damals stimmen, werden erst die Probebohrungen zeigen“, erklärt der Dezernatsleiter. Mit einer schnellen Operation ist in der Überruhrstraße nicht zu rechnen. „Wir werden bestimmt noch bis November zu tun haben.“
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