Essen. . Das geplante Projekt “Putzen für Bier“ in Essen sorgte bereits für Aufsehen. Die Idee: Gegen Bier sollen Personen aus der Trinkerszene in der Innenstadt aufräumen. Wegen grundsätzlicher Bedenken - auch die Stadt meldete Vorbehalte an - muss der Starttermin erneut verschoben werden - in den Herbst.

Das unkonventionelle Projekt „Putzen für Bier“, wohl einzigartig in Deutschland, brachte Essen bundesweit in die Schlagzeilen. Eigentlich wollten die Projektmacher schon im Mai loslegen, dann war von Juni die Rede. Doch auch diesen Termin wird man verstreichen lassen müssen. „Vor September werden wir bestimmt nicht beginnen können“, sagt jetzt Bärbel Marrziniak, die Leiterin der „Suchthilfe“.

Gesprächsbedarf wie auch Bedenken gibt’s offenbar nicht nur bei der „Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt“, dem Zusammenschluss von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Auch die Politik meldet nun grundsätzliche Vorbehalte gegen das so genannte „Pick-up“-Projekt an. Insbesondere die SPD-Fraktion wirft die Frage auf, ob Bier unbedingt der entscheidende Anreiz sein sollte, um die Trinkerszene in der Innenstadt dazu zu bewegen, Plätze und Parks zu putzen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Projekt auch ohne Alkohol als Anreiz funktioniert“, sagt Karlheinz Endruschat, der sozialpolitische Sprecher. Als Bewährungshelfer ist der SPD-Politiker jeden Tag hautnah mit den Problemen drogenabhängiger und alkoholkranker Menschen konfrontiert.

Szene wünscht „geregelte Tagesstruktur“

Eine Umfrage der Suchthilfe in der Trinker-Szene kam zu folgenden Ergebnissen: 90 Prozent gelten als mehrfach drogenabhängig. Viele trinken Bier während einer Heroin-Therapie.

Drei von vier Trinkern geben an, „sich eine Beschäftigung und eine geregelte Tagesstruktur zu wünschen“. Neun von zehn Befragten sind arbeitslos. 10 Prozent arbeiten in Ein-Euro-Jobs.

Das langfristige Ziel: Die Trinkerszene soll aus der Essener Innenstadt verbannt werden. An manchen Tagen halten sich mehrere Dutzend Menschen am Willy-Brandt-Platz auf.

Für Endruschat steht außer Frage, dass sich die Trinker-Szene nach gesellschaftlicher Anerkennung sehnt und einen Anreiz beziehungsweise eine Belohnung braucht. „Allerdings könnte anstelle einer Flasche Bier genauso gut Geld eine Motivation sein“, findet der SPD-Ratsherr. Kleines Geld, über das jeder Empfänger frei verfügen könne. Endruschat: „Wer will, kann sich dafür auch ein Sixpack Bier kaufen.“

Lebhafte Diskussion ausgelöst

Bärbel Marrziniak sieht das schon vor Monaten angekündigte und jetzt zunehmend auf die lange Bank geschobene Ein-Euro-Job-Projekt trotz der jüngsten Bedenken nicht gefährdet. „Die Finanzierung ist gesichert und auch die nötige Infrastruktur steht“, betont sie.

Zu den Vätern und leidenschaftlichen Befürwortern des aus Amsterdam übernommenen „Pick-up“-Modellprojekts zählt Sozialdezernent Peter Renzel. „Am liebsten wäre mir gewesen, dass man schon vor den Sommerferien losgelegt hätte“, sagt er. Doch Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, die sich ebenfalls um alkoholabhängige Menschen in dieser Stadt kümmern, würden nun auf ein Gesamtkonzept für ganz Essen und Mitsprache dringen.

Bedeutet: Neben markanten Brennpunkten in der Innenstadt wie Willy-Brandt- und Kopstadtplatz sowie Waldthausen-Park sollen weitere Stadtteile mit einbezogen werden. „Das Modellprojekt ist nach wie vor einen Versuch wert, allerdings kann es erst später als geplant an den Start gehen“, sagt Renzel.

Die Ankündigung des „Pick-up“-Projektes hatte eine lebhafte Diskussion, aber auch Irritationen ausgelöst. Immerhin: Staatsanwaltschaft, Polizei und Einzelhandel begrüßen es.