Essen. Bei den Gläubigen in Dellwig-Frintrop-Gerschede plant man die Zukunft. Während die Kita Zugstraße ausgebaut wird, müssen andere Standorte aufgegeben werden. Sonst droht die Pleite.

Freud’ und Leid werden in den kommenden Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede nahe beieinander liegen. Während man an der Dellwiger Zugstraße den 50. Geburtstag der Kita feiert und den Ausbau für die Betreuung der unter Dreijährigen einstielt, steht die Gesamtgemeinde vor den tiefsten Einschnitten seit ihrer Gründung. Im Juni wird sich eine Steuerungsgruppe treffen, um über die Aufgabe von Standorten in den kommenden Jahren zu sprechen.

„Wir sind gerade dabei zu schauen, wie wir bei unserem Haushalt Einsparungen hinbekommen. Es läuft wohl auf eine Neustrukturierung der Gemeindearbeit hinaus“, sagt Pfarrer Fritz Pahlke. Natürlich klingt er dabei alles andere als glücklich. Er hat vor sich, was für einige seiner Kollegen in Essener Gemeinden sicher zu den schwersten Prüfungen ihrer Laufbahn gehört hat: das Schließen von Standorten und der Verkauf von Gebäuden.

50.000 Euro Mehrkosten

Acht Jahre, nachdem die Landessynode das „Neue Kirchliche Finanzwesen“ (NKF) eingeführt hat, sind nun auch die Dellwiger, Frintroper und Gerscheder an der Reihe. Sie müssen für ihre Dellwiger Gnadenkirche mit Gemeindezentrum und -amt, die Dellwiger Friedenskirche mit Gemeindehaus, das Gemeindezentrum Gerschede, das Gemeindehaus an der Oberhausener Quellstraße, das Frintroper Gemeindezentrum Kattendahl und zwei Kindergärten fortan in jedem Jahr Pauschalzahlungen in den Gemeindehaushalt einstellen. Zusätzlich unterhält man noch zwei Friedhöfe und über eine gGmbH das Seniorenstift Martin Luther. Alles in allem rechnet man in der Gemeinde mit jährlichen Mehrkosten von 50.000 Euro durch das NKF. Das ist schon eine Menge.

Doch es kommt dicker. Mit der Entscheidung, die Kita Zugstraße für die Zukunft aufzustellen und den Anteil der betreuten Kinder unter drei Jahren von 11 auf 22 zu verdoppeln, sind nicht nur Ausbaukosten in Höhe von 264.000 Euro für die Gemeinde zu stemmen – das zahlt man noch aus den Rücklagen. Sie muss in Zukunft zubuttern, und zwar jährlich 12.000 Euro für Personalkosten. „Der Kindergarten ist der wichtigste Ort, an dem eine kirchliche Bindung entstehen kann. Viele Eltern, auch nichtchristliche, entscheiden sich bewusst für diesen Kindergarten“, so der Pfarrer.

Kindergarten-Betreiber müssen zubuttern

Der Bund will die Betreuung für Kinder unter drei Jahren ausbauen und für die Kindergarten-Betreiber erhöhen sich die Kosten? „So ist das leider“, kommentiert Heike Tenberg, die als Fachberatung des Diakonischen Werks Essen für 52 evangelische Kitas mitzuständig ist – auch für die Dellwiger Zugstraße: „Man muss als Träger einfach mehr Geld in die Kita stecken, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann.“

In der Welt der Kinderbetreuung gibt es teure und nicht so teure Plätze. Die für unter Dreijährige gehören eindeutig zur ersten Kategorie. Das liegt am Kibiz, dem Kinderbildungsgesetz aus dem Jahr 2008. Hier werden Standards definiert, etwa in Sachen Personal und Räumlichkeiten. An der Zugstraße wird ein Anbau u.a. für Wickel- und Ruhebereich entstehen. Daran beteiligt sich die öffentliche Hand: 660.000 Euro kostet die „neue“ Zugstraße, 396.000 Euro werden durch staatliche Mittel finanziert.

Darüber hinaus legt das Kibiz auch fest, wie viel Geld der Kita-Betreiber pro Kind bekommt. Hiermit muss der laufende Betrieb finanziert werden und genau da hake es richtig. Zwar bekomme man nun durch die höhere Anzahl „teurer U3-Plätz“ mehr Geld, müsse aber auch anteilig davon mehr selbst bezahlen, Kirchengemeinden zwölf Prozent. „Und da klafft dann die Schere zwischen sinkenden Einnahmen durch weniger Gemeindeglieder und höheren Kosten immer weiter auseinander“, so Tenberg. Es gebe Gemeinden, die wegen der nicht ausreichenden Grundfinanzierung bis zu 25 Prozent zusteuern müssten. Einen Teil fange die Stadt freiwillig auf und springe ein.

Abschied von traditionellen Standorten eine Zerreißprobe

Einen Termin, wann genau sich NKF und Kindergarten in den Bilanzen der Gemeinde niederschlagen, hat man noch nicht. Die Zugstraße wird frühestens zum Kitajahr 2015/16 in veränderter Form die Pforten öffnen, bis dahin läuft der normale Betrieb weiter. „Vielleicht sind wir dann mit der neuen Struktur so weit“, hofft Pahlke.

Er wird Vermittlungsgeschick beweisen müssen. Für andere Gemeinden – etwa in Katernberg – war der Abschied von traditionellen Standorten eine gewaltige Zerreißprobe. Pfarrer Fritz Pahlke: „Wir müssen so fair miteinander umgehen, so dass auch möglichst alle den Beschluss mittragen können.“ Hoffentlich ist dies nicht nur ein frommer Wunsch.