Essen. . Ehrenamtliche bieten Spaziergänge in den Stadtteilen an: Seit einem Jahr trifft sich die Schonnebecker Gruppe, in der inzwischen Freundschaften entstanden sind. Es ist ein Beispiel für inzwischen 28 Treffs, die es stadtweit bei dem offenen Angebot gibt.

Mindestens 15 Jahre lang kannten sich Ingrid Neumann (69) und Ursula Sanden (78) vom Sehen. Gereicht hat das für einen Gruß im Vorbeigehen. Heute treffen sie sich regelmäßig, trinken Kaffee, gehen einkaufen oder auf den Friedhof, lachen viel miteinander und teilen ihre Sorgen. Auslöser für die Freundschaft war das Spazier-Projekt „Willst Du mit mir gehen?“.

Jeden Donnerstag, 14.30 Uhr, wartet Patin Renate Pilzecker (66) auf dem Markt in Schonnebeck auf die Mitläufer, mit denen sie etwa eine Stunde im Stadtteil spaziert. Es ist ein Projekt, das ehrenamtliche Paten tragen und das die Gesundheitskonferenz der Seniorenbeirat und das Seniorenreferat im Frühjahr 2012 ins Leben riefen.

Terminkalender angeschafft

Als Renate Pilzecker, die selbst gern läuft und joggt, davon erfuhr, war klar: „Das mache ich.“ Gefolgt von der Sorge, ganz allein am Treff zu stehen. Immerhin kamen zum ersten Spaziergang vor genau einem Jahr ihr Mann und vier Nachbarn, die sie zuvor ermuntert hatte. Es wurden aber immer mehr, so dass heute regelmäßig zwölf Spaziergänger mitlaufen. Nicht einmal ist der Treff ausgefallen, weder bei Schnee, noch im Regen. Sie waren im Nienhauser Park, beim Imker und im Wildgehege, viele Fotos haben sie als Andenken geschossen und nach jedem Ausflug zusammengesessen, auf einen Kaffee und einen Plausch. „Mir fehlt der Tag inzwischen sogar im Urlaub“, sagt Renate Pilzecker.

Weitere Spazierpaten werden gesucht

Ein Ziel, das sich die Organisatoren des Paten-Projekts gesetzt haben: mindestens einen Treff in Stadtteilen mit mind. 3000 Menschen über 65 Jahre.

Dafür fehlen: Altendorf, Bochold und Altenessen-Süd. Alle Spazier-Termine finden Sie auf unserer Seite: „Termine – Das Beste von heute in Essen“.

Info: 0201- 88 53 118 (Paten);
0201-88 500 88 (Spaziergänger).

Ingrid Neumann hat nun gar einen Terminkalender angeschafft, weil sie inzwischen ständig verabredet ist. Dabei hat sie anfangs gar befürchtet, sie schaffe nicht einmal die Spazier-Runde: „Ich hatte sonst nie Zeit und bin auch nicht gelaufen.“ Kürzlich war sie fünf Stunden lang einkaufen, hat sich neu eingekleidet, natürlich hat Ursula Sanden sie beraten.

Die kranke Tochter gepflegt

„Anschließend war ich das erste Mal chinesisch essen“, erzählt Ingrid Neumann. Viele Jahre hat sie wenige Kontakte gehabt, weil sie erst ihren Mann, dann ihre kranke Tochter gepflegt hat. Ihr Mann ist vor acht Jahren gestorben, die Tochter jetzt gut versorgt, sagt die 69-Jährige. Den Mut habe sie ohnehin nicht verloren.

Mobilität und sozialer Aspekt

„Willst Du mit mir gehen“ heißt das Spazierpaten-Projekt, dessen Idee genial einfach ist, sagt Lisa Schwermer von der Gesundheitskonferenz. Dazu gehören ein fester Treff und Termin im Stadtteil und Paten, die jede Woche auf Mitläufer warten. Senioren sollen es sein, die sich bewegen und damit die Gesundheit erhalten, die so neue soziale Kontakte knüpfen und neue Ecken im Stadtteil kennenlernen.

Um das Projekt 2012 bekannt zu machen, haben Mitstreiter der Gesundheitskonferenz, des Seniorenbeirates und -referates geworben, haben Karten bei Ärzten, Kliniken, Apotheken verteilt und Plakate aufgehängt. Heute engagieren sich nicht nur 98 Paten an 28 Treffpunkten, zu jedem kommen jede Woche zehn bis 25 Senioren. Das Projekt lockt also wöchentlich bis zu 700 Menschen aus dem Haus.

Aus Düsseldorf kommt Anfang Dezember Besuch aus dem Gesundheitsministerium, der sich den Essener Ansatz rund um Mobilität und soziale Kontakte im Alter vorstellen lässt. „Es ist ein Ansatz, der helfen kann, die Selbstständigkeit zu erhalten und die Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern“, sagt Lisa Schwärmer. Paten sowie Spaziergänger werden ihn ganz bestimmt zur Nachahmung empfehlen.

Bei den Spaziertreffen hat sie nur zwei Mal gefehlt und irgendwann ihre flüchtige Bekannte angesprochen: „Ulla, komm mit.“ Inzwischen ist Ursula Sanden selbst Patin. Auch sie ist Witwe, hat zu Hause allerdings allein durch ihre sechs Enkel viel Trubel. Heute sagt sie der Familie auch mal ab, weil sie etwas vor hat. Einen Spaziergang oder ein Treffen mit ihrer Freundin, der sie alles anvertrauen kann und mit der viel Spaß hat, auch wenn sie über Männer sprechen, erzählen die beiden lachend: „Wie die sich manchmal aufführen!“