Essen. . 63 junge Menschen aus Brasilien studieren derzeit an der Universität Duisburg-Essen. Die Fußball-Weltmeisterschaft in ihrem Heimatland können sie deshalb nur am Fernseher im Ruhrgebiet verfolgen. Was sich die Studenten für die Weltmeisterschaft, ihr Land und den Fußball wünschen.

Aus Südamerika ins Ruhrgebiet: An der Universität Duisburg-Essen studieren derzeit 63 junge Menschen aus Brasilien. Sie alle sind angehende Naturwissenschaftler und Ingenieure. Wegen ihrer Teilnahme an dem Programm „Wissenschaft ohne Grenzen“ können sie die Fußball-Weltmeisterschaft nur im Fernsehen verfolgen. Sie müssen ihre Elf vom Ruhrgebiet aus anfeuern. Wir haben sie gefragt, welche Gedanken ihnen zur WM durch den Kopf gehen – und wie es für sie ist, das große Fußball-Fest in ihrer Heimat zu verpassen.

Menschen sollen auch während Fußball-WM demonstrieren

Felipe Cardoso (21)
Felipe Cardoso (21) © Ulrich von Born / WAZ FotoPool

"Im Vorfeld der Weltmeisterschaft hat es in Brasilien Proteste gegeben. Ich hoffe, dass die Menschen auch während der WM auf die Straßen gehen und demonstrieren. Die Welt schaut in diesem Sommer aufmerksam, was in Brasilien passiert. Und in unserem Land gibt es viele Missstände, auf die hingewiesen werden muss: im Gesundheitswesen, bei der Sicherheit, im Bildungssystem, bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Um diese Missstände zu verbessern, muss Geld ausgegeben werden. Es wird aber in Brasilien zu viel Geld in den falschen Bereichen investiert. Darauf wollen die Demonstranten hinweisen. Und vielleicht ändert sich dadurch etwas."

Felipe Cardoso (21) aus Porto Alegre studiert Metallingenieurwesen

Brasilien holt den Weltmeister-Titel im eigenen Land

Luana Silveira (21)
Luana Silveira (21) © Ulrich von Born / WAZ FotoPool

"Brasilien kommt bei der Weltmeisterschaft auf jeden Fall bis ins Halbfinale. Da bin ich mir sicher. Und ich denke, wir holen uns sogar den Titel. Das hoffe ich zumindest, denn mein Herz hängt an Brasilien. Deshalb feuere ich auch die „Seleção“ an, obwohl mir Fußball eigentlich gar nicht so wichtig ist. Ich war zum Beispiel noch nie bei einem Spiel im Stadion. Das glaubt mir in Deutschland aber keiner. Die Leute denken immer, jeder Brasilianer sei automatisch ein Fußball-Fan. Mir ist einfach wichtig, dass alle Spaß bei der WM haben. Und falls wir nicht Weltmeister werden, dann werden es halt die Deutschen."

Felipe Lopes (20) aus Salvador de Bahia studiert Elektrotechnik

Beim Confederations Cup in Brasilien war die Stimmung super

Luana Silveira (21)
Luana Silveira (21) © Ulrich von Born / WAZ FotoPool

"Natürlich würde ich die Weltmeisterschaft gerne live in Brasilien miterleben. Das kann ich leider nicht, weil ich in diesem Jahr in Deutschland bin. Traurig bin ich deswegen nicht... Na ja, ein kleines bisschen vielleicht. Einige meiner Familienmitglieder haben Stadion-Tickets bekommen. Und ich kann mir die Spiele nur im Fernsehen anschauen. Im vergangenen Jahr war ich aber schon live dabei: Ich habe ein Spiel beim „Confederations Cup“ besucht. Brasilien gegen Uruguay. Das war super. Alle haben die Mannschaft angefeuert, es war sehr laut, die Stimmung war spitze. Und am Ende hat die „Seleção“ gewonnen."

Luana Silveira (21) aus Brumadinho ist angehende Bauingenieurin.

Brasilianer im Ruhrgebiet werden ihre Mannschaft anfeuern

Daniel Moraes (22)
Daniel Moraes (22)

"In meiner Heimatstadt in Brasilien finden vier WM-Spiele statt. Wäre ich dort, würde ich sie mir wohl im Stadion anschauen. Wo ich jetzt die Weltmeisterschaft anschauen werde, weiß ich noch nicht. Wichtig ist mir nur, dass ich die Spiele unserer Nationalmannschaft gemeinsam mit meinen Freunden sehe. Ich kenne viele Brasilianer im Ruhrgebiet, und wir werden alle zusammen unsere Mannschaft anfeuern. Vielleicht gucken wir die Spiele im Studentenwohnheim, oder wir gehen dazu in eine Bar. Mal schauen. Ich habe gehört, in Deutschland gibt es auch große Public-Viewing-Veranstaltungen. So etwas stelle ich mir auch interessant vor."

Daniel Moraes (22) aus Curitiba ist angehender Autoingenieur.

In Deutschland wird beim Fußball mehr Bier getrunken

Luis Lins (20)
Luis Lins (20) © Ulrich von Born / WAZ FotoPool

"Ob es Unterschiede gibt zwischen deutscher und brasilianischer Fan-Kultur? Klar! In Deutschland wird beim Fußball mehr Bier getrunken. Ich hab Fußball-Fans am Bahnhof gesehen – sie hatten alle Bier in der Hand. Ich glaube, die Deutschen nehmen den Fußball sehr ernst. Verliert ihre Mannschaft, haben sie schlechte Laune. In Brasilien ist das anders, da ist alles etwas entspannter, es gibt mehr Leichtigkeit. Und die Menschen feiern auch, wenn ihr Team verloren hat. Um mir aber eine richtige Meinung bilden zu können, muss ich mehr sehen. Ich bin ja erst seit einem Monat in Deutschland. Vielleicht gehe ich mal in ein Bundesliga-Stadion, etwa zu Borussia Dortmund."

Luis Lins (20) aus São Paulo studiert Erneuerbare Energien.

Wenn die „Seleção“ spielt, sind mit dem Herzen dabei

Bruno Kulchetscki (23)
Bruno Kulchetscki (23) © Ulrich von Born / WAZ FotoPool

"Vor der Weltmeisterschaft wurde ja auch in Deutschland viel darüber diskutiert, dass die Brasilianer Probleme haben, ihre Stadien rechtzeitig fertigzustellen. Aber ich war mir immer sicher, dass am Ende alles gut wird. Das liegt vielleicht an der brasilianischen Mentalität, die sich auch auf dem Fußballplatz ausdrückt. Wenn die „Seleção“ spielt, dann sieht man, dass alle mit dem Herzen dabei sind. Und deswegen sind sie erfolgreich. Die Deutschen hingegen spielen eher mit dem Kopf. Sie mögen zwar eine bessere Technik haben, aber die Brasilianer funktionieren besser als Team. Deswegen werden wir ja auch Weltmeister."

Bruno Kulchetscki (23) aus Curitiba studiert Maschinenbau.