Essen. . Wegen eines Stundenlohns von 2,88 Euro bekommt ein ehemalige Fahrer des Essener Busunternehmens Mesenhohl nun eine Entschädigung von 4375 Euro. 17 weitere Mitarbeiter klagen gegen ihren Arbeitgeber. Die Firma steht nicht das erste Mal wegen Dumpinglöhnen vor Gericht.
Er war geschickt versteckt, der Hungerlohn. Denn laut Vertrag bekam der heute 72-jährige Busfahrer der Essener Firma Mesenhohl pro Tour eine Pauschalvergütung von 7,70 Euro netto. Umgerechnet auf eine Stunde ergibt sich daraus jedoch ein Lohn von 2,88 Euro. Der Essener Busfahrer klagte.
„Das ist eine sittenwidrige Vergütung“, argumentiert sein Anwalt Peter Böhner. Die liegt vor, sobald ein Lohn weniger als zwei Drittel des Tariflohns beträgt. Vor dem Arbeitsgericht Essen wurde die Klage abgewiesen, vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf konnte Anwalt Böhner am vergangenen Dienstag nun einen Vergleich aushandeln, da auch der Richter die Löhne für bedenklich hielt. 4375 Euro zahlt Mesenhohl seinem ehemaligen Fahrer nun nachträglich.
Nicht das erste Mal steht das Busunternehmen wegen Dumpinglöhnen vor Gericht. Die jüngste Verhandlung ist gemeinsam mit 17 weiteren Klagen, die den Gerichten in Essen und Düsseldorf vorliegen, nur der Ausläufer der Eskalation aus dem Sommer 2012. Hier trauten sich Mitarbeiter das erste Mal, sich zur Wehr zu setzen. 30 Fahrer und Begleitpersonen der Busse für den Schul- und Behindertenverkehr hatten damals Klage erhoben. Einzelne Vergleiche in durchschnittlicher Höhe von 15.000 Euro konnte Anwalt Peter Böhner für seine Mandanten aushandeln.
Keine Entlohnung im Krankheitsfall
Doch die Reihe an Klagen der gut 200 Beschäftigen bei Mesenhohl nahm kein Ende. Rund 100.000 Euro nachträgliche Vergütung zahlte das Unternehmen den Klägern. „Sie haben sich dann irgendwann quer gestellt und sich auf keinen Vergleich mehr eingelassen“, erklärt Böhner. Mit den gerichtlichen Verfahren würde Mesenhohl nun versuchen Zeit zu schinden.
Nach den ersten Vergleichen in 2012 schien sich die Geschäftspraxis des Busunternehmens zunächst in eine erfreuliche Richtung zu entwickeln. Es gab zum ersten Mal schriftliche Arbeitsverträge mit einem Stundenlohn von 9 Euro für Begleitpersonen und 9,50 Euro für Busfahrer. „Doch nach der ersten Abrechnung war mir klar, dass etwas nicht stimmt“, erzählt Peter Böhner. Denn auf der Rechnung standen nicht die Stunden, die gearbeitet worden waren. Sondern weniger. Hin- und Rückfahrt sowie Abholung der Begleitperson zählte plötzlich nicht mehr zur Arbeitszeit. Wodurch sich umgerechnet auf die reale Arbeitszeit wiederum ein Stundenlohn von 2,50 Euro ergab. - Sittenwidrig, die Zweite. Eine offizielle Stellungnahme zu den Lohnzahlungen verweigerte das Unternehmen der NRZ.
Die Erfolgaussichten für seine weiteren Mandanten schätzt Anwalt Böhner gut ein. Denn abgesehen von den Dumpinglöhnen, hätte das Unternehmen auch niemals bezahlten Urlaub oder Entlohnung im Krankheitsfall gewährt. „Es hat sich wohl auch fast nie jemand krank gemeldet“, weiß Böhner aus den Gesprächen mit seinen Mandanten. „Und wenn, hatte er am nächsten Tag die Kündigung im Briefkasten“.
Viel Spielraum
Peter Böhner sieht in dem kalkulierten Lohndumping ein Grundproblem bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Es sei zu befürchten, dass es auch bei anderen Arbeitgebern zum Streit darüber kommt, welche Zeiten zu bezahlen sind, und welche nicht. Und auch das Tariftreuegesetz, an das beispielsweise die Stadt Essen gebunden ist, werde damit zunehmend ausgehebelt. „Denn auch wenn der gezahlte Stundenlohn stimmt, ist bei der Abrechnung der Arbeitszeiten noch viel Spielraum, wie man sieht“.