Essen. . Ob Schnee, Eis, Hagel oder Hitzewelle – Busfahrer Frank Holland und seine Kollegen machen täglich mobil.

Morgens 4.17 Uhr auf dem Betriebshof Stadtmitte – Zeit für Frank Holland, sich hinters Steuer zu setzen und sich mit seinem 18-Tonner auf den Weg zu machen. Seit 25 Jahren ist er bereits Busfahrer bei der Essener Verkehrs-AG (Evag). Dort hat er seine Ausbildung gemacht, „als Busfahren noch etwas ganz anderes war als heute“ – ein ehrenwerter Beruf, einer, dem Respekt gezollt wurde, auch von Jugendlichen.

Frank Holland kennt sich gut aus in der Stadt und alle Strecken wie seine Westentasche. Heute fährt er auf der Linie 155, die von Gelsenkirchen über die Innenstadt bis Kupferdreh führt. Die NRZ begleitet ihn dabei.

Gut gelaunt durch den Berufsverkehr

Bis 11.15 Uhr quert Holland die Stadt von Nord nach Süd und umgekehrt. Frühschichten sind ihm lieb, am Wochenende fährt der 49-Jährige nicht so gerne. Es ist 6.55 Uhr. Zeit, einmal den ganz normalen Wahnsinn mitzuerleben: Eis auf den Straßen, Schneetreiben und dazu noch der unberechenbare Berufsverkehr. Vielen graust es alleine beim Gedanken daran. Und Frank Holland? Er hat gute Laune. „Und die lasse ich mir auch nicht vermiesen. Für mich ist das der Alltag.“

Mit zwei Minuten Verspätung erreicht sein 155er den Hauptbahnhof. Es wird sehr voll im Bus und vor allem kalt, denn die Türen stehen länger offen, damit alle Fahrgäste aus- und

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einsteigen können. Ein junges Pärchen bekommt davon nicht viel mit: Es küsst sich auf dem Weg nach Kupferdreh warm. Und auch andere Berufspendler haben sich auf den womöglich etwas länger dauernden Trip im Linienbus eingestellt – mit einem spannenden Roman in der Hand, der Tageszeitung, guter Musik über Kopfhörer oder Strickzeug. „Wenn ich so weitermache, wird der neue Pulli diese Woche noch fertig – je nach dem, wann der Bus in Kupferdreh ankommt“, feixt eine ältere Frau.

Falscher Ehrgeiz bringt bei Eis nicht viel

„Schnee und Eis, das ist nicht unser Wetter. Wir kommen damit nicht klar“, meint Holland, wobei er mit „wir“ nicht „die Busfahrer“, sondern alle meint, die sich mit ihrem fahrbaren Untersatz durch die verschneite Stadt quälen.

„Wir kommen mit unseren Bussen nur zu 80 Prozent durch. Besonders schlimm wird es bei Glatteis“, sagt Holland. Denn das sei immer so eine Sache für ihn und seine Kollegen: „Traut man sich noch zu fahren oder sagt: lieber nicht. Falscher Ehrgeiz bringt da nicht viel.“ Denn wenn ein 18-Tonner ins Rutschen kommt, könne viel passieren. Holland: „Bei so einem Wetter ist mir dann der Fahrplan egal: Hauptsache, die Leute kommen sicher an ihr Ziel, die Kinder zur Schule und der Wagen bleibt ganz.“

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Wenn er morgens hellwach hinterm Steuer sitzt und verantwortlich ist für bis zu 147 Personen (auf so viele ist der Gelenkbus ausgelegt), schauen seine Fahrgäste noch recht unausgeschlafen drein und bekommen so manches nicht mit. Am Annental etwa, als Holland ordentlich aufs Gaspedal tritt, bevor die Ampel auf Rot springt und noch mehr Verspätung droht. Mittlerweile sind es bereits zehn Minuten.

Nachtexpress-Fahrten sind "interessant"

„Die, die tagtäglich Bus und Bahn fahren, regen sich meistens nicht auf, wenn sie bei solchen Wetterverhältnissen später ankommen“, so Holland. Es seien eher die, die dann vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen und meinen, „der Bus habe Flügel“. Doch wenn die Blechlawine im Berufsverkehr steht, „kommen wir mit unseren Bussen auch nicht weiter.“

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Plötzlich greift Holland zum Mikrofon: „Aufgrund von Straßenglätte kann vorübergehend die Endstelle Marienbergstraße nicht angefahren werden.“ Seine Fahrgäste sehen es gelassen. Aber das sei nicht immer so. „Interessant wird es am Wochenende, wenn richtig was los ist, vor allem abends, wenn ich Nachtexpress fahre.“

Dann ist dem Borbecker oft mulmig zu Mute, vor allem, wenn er mit dem Bus durch Altenessen fährt oder am Hauptbahnhof Halt macht. Vor 25 Jahren, als er bei der Evag angefangen hat, sei ab und an mal ein Betrunkener dabei gewesen. „Wenn dann mal Theater war, konnten wir das schnell regeln“, erinnert er sich. Das habe sich geändert. „Heutzutage geben sich viele Jugendlichen die Kante, dann ist Ärger vorprogrammiert. Es eskaliert oft. Übergriffe auf Fahrer sind dann an der Tagesordnung. Das macht keinen Spaß mehr und ist nicht schön.“ Daher fährt er gerne die Frühschicht, „am liebsten meine Heimatlinie, die 185“.

Schon der Vater war Busfahrer

Schon Frank Hollands Vater war Busfahrer; später wurde er Fahrlehrer bei der Evag. „Ich hab eine Ausbildung gemacht, doch keinen Job bekommen. Da war es naheliegend, Busfahrer zu werden.“ Heute würde er sich anders entscheiden – wegen des geringen Verdiensts als Neueinsteiger und des Stresses, der immer größer werde. Die Uhr zurück drehen will er dennoch nicht. Muss er auch nicht. Schließlich kommt er pünktlich an in Gelsenkirchen.

Die Evag im Überblick 

Pro Tag legen die Busse und Bahnen der Evag 55.000 Kilometer zurück. Im Vergleich: Der Erdumfang am Äquator beträgt 40.075 Kilometer.

Das Unternehmen beschäftigt 291 Straßenbahnfahrer und 536 Busfahrer. Die Frauenquote liegt bei 15 Prozent. Bis Jahresende sollen 75 zusätzliche Fahrer eingestellt werden. Die passende Ausschreibung dazu gibt es im Internet auf www.evag.de.

Die Evag setzt auf modernste Bahn- und Bustechnik. Zum Fuhrpark zählen aktuell 45 Stadt- und 90 Straßenbahnen sowie 204 Busse, darunter 126 Gelenkbusse. Sie bilden die modernste Busflotte im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr.

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Das Unternehmen unterhält 600 Haltestellen und 1500 Haltepunkte für Busse und Straßenbahnen im gesamten Stadtgebiet. Täglich bewegt die Evag 330.000 Fahrgäste und sorgt fast rund um die Uhr für Essens Mobilität: Ihre Fahrer sind auf drei U-Bahn- und sieben Tram-Linien, 32 Bus- und 16 Nacht-Express-Linien im Einsatz.

Ab Zehn Minuten Verspätung – Geld zurück! Aber immer?

„Sollten Sie mit der Evag einmal später als zehn Minuten an Ihrer Zielhaltestelle ankommen, erstatten wir Ihnen das Geld für Ihr Ticket zurück“, heißt’s auf der Evag-Internetseite. Doch gilt das Pünktlichkeitsversprechen auch bei Schnee und Eis? – Nein. Warum das so ist, sagt Pressesprecher Nils Hoffmann: „Das ist höhere Gewalt. Das Pünktlichkeitsversprechen gilt nur, wenn wir selbst verschuldet zu spät kommen. Unvorhersehbare Risiken wie Streik und Naturgewalten sind daher ausgeschlossen.“