Essen. Einst hatte sich die Deutsche Montan Technologie GmbH aus Essen auf den Bergbau spezialisiert. Weil bald die letzte Zeche im Ruhrgebiet schließt, muss sich die DMT neue Einnahmequellen suchen. Etwa indem sie Hausstaub erzeugt und damit weltweit die Staubsaugerindustrie beliefert.

Der Mann ist ziemlich schick angezogen für einen, der beruflich im Dreck wühlt. Hemd, Hose, Sakko, alles schwarz, dazu eine Krawatte um den Hals und ein dünnes Bärtchen auf der Oberlippe. Helmut Parr legt Wert auf sein Äußeres, was nicht heißt, dass ihn ein bisschen Staub am Ärmel sonderlich stört.

Er lässt sich in diesem kuriosen Job nicht vermeiden: Parr ist bei der Deutschen Montantechnologie (DMT) verantwortlich für ein Segment, das dem Unternehmen neue Einnahmequellen beschert und ihm profunde Kenntnisse über den Kleinstabfall anderer Leute verschafft – der 62-Jährige erzeugt mit einem etwa zehnköpfigen Team normierten Hausstaub. Damit beliefert DMT die wichtigsten Akteure der globalen Staubsaugerindustrie, denn die will unter realistischsten Bedingungen prüfen, wie gut ihre Geräte saugen. Bis zu 140 Euro kostet so ein Kilo, dafür bekommen die Unternehmen unter wissenschaftlichen Bedingungen hergestellten Qualitätsdreck. Der „DMT-Prüfstaub Typ acht“ besteht aus drei Komponenten: zu 70 Prozent aus klein gemahlenen Sandkörnchen, zu 20 Prozent aus Cellulosepulver, der Rest sind Baumwollfasern.

Der perfekte synthetische Dreck

Aber wie aufwändig es war, die richtige Rezeptur herauszufinden! Parr und Kollegen wühlten sich durch den Inhalt Hunderter Staubsaugerbeutel, gespendet von Freunden und Familienmitgliedern. Dank der Laboranalyse wissen sie jetzt ganz genau, was der Durchschnittsdeutsche so wegsaugt: Hundehaare, Zehennägel, sogar tote Mäuse – auch Wissenschaft ist eben eine Drecksarbeit. „Bis wir den perfekten synthetischen Staub entwickelt hatten, sind Jahre vergangen“, sagt Helmut Parr, „Staub ist ein extrem sensibler Stoff.“ Er sitzt in seinem Büro auf dem DMT-Gelände in Frillendorf, nur ein paar Gehminuten von seinem Wohnhaus entfernt. An der Wand hängt eine Weltkarte, Nadeln markieren die Länder, in die DMT Staub liefert. Es sind viele Nadeln, die Kunden sitzen in Europa, den USA und Asien. Seit fast 40 Jahren arbeitet er bei dem Konzern, einst entwickelte er Messsysteme für den Kohlenstaub unter Tage. Weil der Bergbau als Auftraggeber immer unwichtiger wurde, suchte sich Parr ein neues Betätigungsfeld – und ist heute ein Spezialist fürs Schmutzige. Er weiß: Wie eine Nation mit dem Staub umgeht, verrät mitunter viel über ihre Befindlichkeiten. „In Malaysia etwa gilt es als Statussymbol, einen deutschen Staubsauger zu besitzen.“

Dann ist das Gespräch vorbei. Parr hat noch einen Außentermin, am nächsten Tag fährt er in Urlaub. Ob er da auch zum Staubsauger greifen wird? Nein nein, sagt Parr: „Im Wohnwagen wird nicht gesaugt. Nur gelüftet.“