Essen. Die Bahnhofsmission ist Anlaufstelle für viele: Obdachlose, Straßenkinder, Auswanderer aus Osteuropa. Neben einem warmen Essen finden sie hier auch Gehör für ihre Sorgen und Nöte. Am Samstag ist Tag der Bahnhofsmissionen.

An manchen Tagen kommen 100 Menschen hierher. Ein schlichter Raum, helle Wände, eine überschaubare Getränkekarte. „Wasser schenken wir aus und Tee“, sagt der Leiter der Bahnhofsmission, Markus Siebert, „denn wir wollen kein Ort sein, an dem man sich auf einen Kaffee trifft und stundenlang plaudert, sondern eine Erstkontaktstelle für Menschen in Not“.

Ein Mann kommt durch die Tür. „Dich hab‘ ich aber auch lange nicht gesehen“, sagt Siebert. „Klar“, so die Antwort, „war im Knast“. Addiert habe man Urteile für neue Straftaten und widerrufene Bewährungen, „da waren es dann mehr als 20 Monate“. Beratungsbedarf hat der Mann allerdings nicht. Ein warmer Tee, etwas zu Essen, „dann bin ich wieder weg“.

„Häufig wollen die Menschen nur seelsorgerischen Beistand“

Ein paar Meter weiter erzählt eine ältere Frau einer Sozialarbeiterin von ihrer Odyssee durch Deutschland. Notschlafstellen hier, billige Pensionen dort. Doch „dann kam die Rente nicht, da musste ich raus aus der Pension.“ Nun weiß sie nicht, wohin sie soll. „Vielen Menschen hier sieht man nicht an, dass sie obdachlos sind“, sagt Siebert.

Adrett gekleidet ist die alte Dame, zieht einen bunt gemusterten Reisekoffer hinter sich her und will – in der Bahnhofsmission nur eines: ein offenes Ohr. Dabei könnten sie helfen, könnten vermitteln zu Notschlafstellen und in Frauenhäuser, in die Suchtberatung und in Kontaktstellen für Obdachlose. „Diese Vermittlung, die Erstbegutachtung und Überleitung in Hilfen ist unser Kerngeschäft“, sagt Siebert. „Doch häufig wollen die Menschen nur seelsorgerischen Beistand.“

Anlieferungen von der Essener Tafel

Mit Vorurteilen, mit Ekel vor schlechten Gerüchen und gebrochenen Menschen, sagt Siebert, könne man diesen Job nicht machen. „Hierher kommen auch Obdachlose, die seit Jahren auf der Straße leben.“ Offene Wunden, starke Alkoholfahnen, all das gehört in der Bahnhofsmission zum Alltag. „Wir sind eine Anlaufstelle für alle Menschen“. Eine soziale Einstellung, die sich herum spricht. Straßenkinder, Obdachlose, Reisende kommen hierher. „Und immer öfter Menschen aus Osteuropa.“ Denn mit der Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten, seien viele auch nach Essen gekommen, „wenn sie keine Arbeit finden, schlagen sie sich so durch.“ Was zeige, dass das Leben hier auf der Straße, unterstützt von karitativen Einrichtungen und städtischen Anlaufstellen, immer noch erträglicher sei, als die Armut im Heimatland.

Siebert geht wieder in den Nebenraum, holt ein wenig zu essen von dem, was die Essener Tafel angeliefert hat. „Aufwärmen, ein Tee, etwas zu Essen und ein offenes Ohr“, sagt Siebert, das sei schon viel, wenn man ganz unten angelangt ist.