Essen. . 35 Jahre alt und 30 000 Euro Schulden: So sieht in Essen der typische Schuldner aus. Die Zahl der Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, steigt und eine Entspannung der Lage ist auch in diesem Jahr nicht in Sicht, wie der Verein Schuldnerhilfe berichtet.
Er ist männlich, 35 Jahre alt, ungelernt, hat Familie und steht mit 30.000 Euro bei insgesamt sieben Gläubigern in der Kreide. So beschreibt Wolfgang Huber, Leiter des Vereins Schuldnerhilfe Essen (VSE), den typischen Schuldner in Essen und somit den typischen Fall, der bei ihm in der Beratung anklopft.
Die Zahl der Menschen in der Stadt, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen können, wächst. Im vergangenen Jahr gab es mit fast 1100 Fällen einen neuen Rekord bei den privaten Insolvenzverfahren. Essen entwickelt sich damit gegen den landesweiten Trend.
Weg in die Privatinsolvenz ermöglichen
Huber kann sich das nur bedingt erklären. Zwar steigt in Essen die Zahl der Langzeitarbeitslosen – ein wesentliches Schulden-Risiko – allerdings müssten dann auch in anderen Revierstädten die Schuldenfälle in die Höhe schnellen. „Vielleicht“, meint Huber, „ermöglichen wir mit unserem Hilfsangebot aber einfach mehr Menschen den Weg in die Privatinsolvenz.“
Genau 290 solcher Verfahren begeleitete der VSE im vergangenen Jahr, 27 Prozent mehr als 2012. Und dennoch ist der Bedarf noch sehr viel höher. Derzeit müssen Schuldner ein Jahr lang warten, bis sie mit Hilfe des VSE Privatinsolvenz beantragen können und so die Chance haben, nach sieben Jahren wieder schuldenfrei zu sein.
Ärger mit dem Beitragsservice
Die meisten Betroffenen holen sich beim Verein deshalb erst einmal Beratung. 2315 Haushalte nutzten im vergangenen Jahr dieses Angebot des VSE. Immerhin 55 Prozent der Hilfesuchenden wurden vom Jobcenter in die Beratungsstelle am Pferdemarkt geschickt. Denn Schulden erschweren bei vielen Hartz-IV-Empfängern eine Vermittlung in Arbeit, heißt es.
Die Ursachen, warum Essener in die Schuldenfalle geraten, sind vielschichtig; laut Huber eine Addition vieler Kleinigkeiten. Steigende Energiekosten sind da meist nur ein Grund, warum der Spielraum, Schulden zu tilgen, immer kleiner wird. „Auch Familie ist ein wesentlicher Kostenfaktor geworden“, sagt Huber.
Zunächst außergerichtliche Einigung
Bevor Menschen in die Privatinsolvenz gehen, versuchen die VSE-Berater in den allermeisten Fällen zunächst eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern. Sagt nur einer Nein, scheitert das Vorhaben. Bemerkenswert: Ausgerechnet der „ARD-ZDF Beitragsservice“ gehört laut Huber zu den Gläubigern, die sich nie auf eine Ratenzahlung einlassen. Ärgerlich, so Huber, wenn „ausgerechnet ein öffentlicher Gläubiger dann eine Einigung kaputt macht.“
Ein Rückgang der Schuldner-Fälle ist auch dieses Jahr nicht in Sicht. „Die Zahlen bei uns zeigen keine Entspannung der Lage“, so Huber.