Essen. Die Suchthilfe direkt und der Verein Schuldnerhilfe haben mit finanzieller Unterstützung der Krupp-Stiftung ein neues Angebot für krankhafte Zocker schaffen können. Millionenverluste an Automaten: Vielen droht der Ruin.
Bis zuletzt hoffen sie auf den großen Gewinn. Dabei haben sie schon lange verloren, bevor gar nichts mehr geht. Die Spieler, für die es eine krankhafte Jagd nach dem vermeintlichen Glück ist, das sich zwischen blinkenden Automaten-Anzeigen, verdeckten Poker-Karten und rotierenden Roulette-Kesseln verbergen soll, als warte es nur darauf, herausgekitzelt zu werden. Doch statt des dicken Gelds bleibt den Zockern am Ende häufig nichts anderes als der blanke Ruin. Ihre Sucht zerstört Familien, Existenzen, ja, Leben, und sie hinterlässt unübersehbare Schuldenberge.
Die wenigsten Betroffenen suchen Rat, doch ist die Krankheit verbreiteter als man gemeinhin denkt: 6.000 Essener spielen süchtig oder sind auf dem Weg dorthin, sagt Michael Mombeck von der Suchthilfe direkt. Die Verluste, die Zocker an den etwa 1.500 Geräten der örtlichen Spielhallen und Gastronomie erleiden, summierten sich allein in Essen auf zuletzt 30 Millionen Euro. 80 Prozent aller kranken Glücksritter stehen an Automaten. Die füttern sie bis auf den letzten Heller.
Nervenkitzel, Risiko und Geldeinsatz
Selbst auf die Gefahr einer Verbraucherinsolvenz hin. Die Folgen lassen sich ausrechnen. „Wer süchtig spielt, spielt, bis er kein Geld mehr hat“, sagt Wolfgang Huber vom Verein Schuldnerhilfe. Verschuldung bis zum Ruin und Zocken bis zur absoluten Abhängigkeit sind ein untrennbares Paar und deshalb machen die Suchthilfe und die Schuldnerberatung jetzt auch gemeinsame Sache. Dagegen. „Fairplay“ ist ein völlig neues und kostenloses Angebot einer Glücksspielsuchtberatung, die mit finanzieller Unterstützung der Krupp-Stiftung als Zwei-Jahres-Projekt aufgebaut werden konnte und ab sofort Betroffenen, aber auch ihren Angehörigen helfen will.
Wer die Balance zwischen Nervenkitzel, Risiko und Geldeinsatz verliert, dem drohen am Ende Arbeitsplatzverlust, Einsamkeit oder Depressionen, sagt Mombeck. Diese schlimmen Folgen der Sucht wollen die Helfer mildern und abwenden, indem sie beraten, aber auch bei der Therapievermittlung helfen, indem sie die Betroffenen zu Selbsthilfegruppen bringen oder versuchen, ihnen finanziell wieder auf die Beine zu helfen.
Pathologisches vs. problematisches Spielverhalten
Das Thema ist ein äußerst vielschichtiges, weiß inzwischen auch Wolfgang Huber: „Schon immer kamen Menschen mit Spielschulden zu uns. Denen konnten wir bislang nur bei der Regulierung helfen, aber wir konnten die Probleme nicht in ihrer Tiefe begreifen.“ Was dann absurderweise dazu führte, dass eine Entschuldung die Sucht eher beförderte, weil der Spieler auf einmal wieder Geld zur Verfügung hatte. Für Huber ist klar: Ohne begleitende Sucht- macht eine Schuldnerberatung für Spieler keinen Sinn und wird deshalb auch nicht angeboten.
Huber und Mombeck wollen Hilfesuchende ermuntern, das neue Angebot anzunehmen. Eine Sprechstunde ist ohne Termin jederzeit möglich. An das Gespräch kann sich eine erste Beratung samt Diagnose anschließen, die über die Gefährdung eines Einzelnen Aufschluss geben soll: Ist sein Spielverhalten problematisch oder gar pathologisch? Ist eine Psychotherapie notwendig, hilft „Fairplay“ ebenfalls. Damit die Suche nach einem Platz in der LVR-Klinik nicht auch noch zum Glücksspiel wird.