Die Stadt hat im Jahr 2006 47 Wettbüros geschlossen. Diese Verfügungen könnten ihr jetzt auf die Füße fallen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster in letzter Instanz entschieden hat: Solche Untersagungsverfügungen sind rechtswidrig. Die Schadenersatzforderungen könnten sich auf bis zu 15 Millionen Euro summieren. Die Stadt beruft sich auf Befehlsnotstand: Sie habe auf Anweisung der Bezirksregierung gehandelt.
Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht haben dem deutschen Gesetzgeber kräftig auf die Mütze gegeben und das Staatsmonopol auf Sportwetten für rechtswidrig erklärt. Daraus hat das Oberverwaltungsgericht jetzt die Konsequenzen gezogen und damit nach eigenen Angaben „seine bisher vertretene Rechtsauffassung aufgegeben“. Die Betreiberin eines Wettbüros in Mönchengladbach bekam also Ende September Recht. Kernsatz des Urteils: „Untersagungsverfügungen, mit denen die Ordnungsbehörden allein unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol gegen private Sportwettbüros vorgegangen sind, sind rechtswidrig, weil das Monopol nicht mit Europarecht vereinbar ist.“
"Die sind dem Gericht gefolgt wie ein blinder Hund"
Genau das sagt Guido Bongers seit Jahren. Der Rechtsanwalt hat sich spezialisiert auf Sportwetten und prophezeite schon 2008 den Städten in NRW „Schadenersatzansprüche in Hunderten von Fällen, sollten sich die Ordnungsverfügungen zur Schließung als rechtswidrig erweisen“. Eben das ist jetzt passiert, und deshalb bereitet Bongers gerade die Schadenersatzklage für Udo Faltenbacher vor, bis 2006 Betreiber von sechs Wettbüros in Altenessen, Stoppenberg, Steele, Borbeck, Katernberg und im Südviertel. „Wir wollen drei Millionen Euro“, sagt Faltenbacher: Entschädigung für die Zeit von der Schließung bis heute plus Zinsen plus Rückzahlung der verhängten Zwangsgelder.
Der Mann hat Erfahrung mit solchen Auseinandersetzungen: 2004 hatte die Staatsanwaltschaft drei seiner Annahmestellen für Sportwetten dicht gemacht. Ende 2005 wurden die Ermittlungen eingestellt. Zusammen mit Anwalt Bongers betrieb Faltenbacher eine Schadenersatzklage, die 2008 mit einem Vergleich beendet wurde: Das Land NRW zahlte für seine Strafverfolgungsbehörde 200 000 Euro Schadenersatz.
Mit einem Vergleich will sich Faltenbacher diesmal nicht zufrieden geben. Auch, weil die Wut über das Ordnungsamt tief sitzt. „Die sind dem Gericht gefolgt wie einblinder Hund“, schimpft er. „Die haben uns behandelt wie Kriminelle.“ 70 Mitarbeiter seien durch die Schließung der Wettbüros arbeitslos geworden. Die Summe der Ansprüche, die Betreiber gegen die Stadt geltend machen können, schätzt er auf zehn bis 15 Millionen Euro: Nicht alle hatten damals Rechtsmittel eingelegt.
Die Stadt geht davon aus, dass ihre Ordnungsverfügungen vor Gericht Stand halten werden, weil sie nicht nur mit dem Staatsmonopol begründet waren. „Die Betriebe hatten keine Konzession und waren deshalb für uns illegal“, sagt Stadt-Sprecher Detlef Feige. Zweite Argumentationslinie: „Wir haben damals auf Weisung der Bezirksregierung gehandelt“, sagt Feige. „Nach dem Verursacherprinzip ist das Land Gegner solcher Ansprüche.“ Wenn nicht: Die Stadt ist haftpflichtversichert.