Essen. . Seit jeher fühlen sich die Betreiber von Spielhallen mutwillig an den Rand der Gesellschaft gedrängt, an dem nur diejenigen ihr Geld verspielen, die ohnehin keines haben. Die Branche reagiert darauf, indem sie sich in der Gesellschaftsmitte aufzustellen versucht. Das wurde bei der Neueröffnung einer Spielhalle an der Frohnhauser Straße deutlich.
Es klingelt. Dann scheppern die Münzen in den beleuchteten Auffangbehälter. Dazu gibt es alkoholfreien Sekt und Häppchen. Rouletta steht währenddessen auf dem Roten Teppich und heißt die Besucher der neu gestalteten Spielothek-Filiale an der Frohnhauser Straße willkommen.
Rouletta ist eine freundliche Dame mittleren Alters mit sonnenbankgebräunter Haut und blondierten Haaren. Ihr Körper steckt in einem goldenen Kleid, auf dessen Saum die Muster eines Roulette-Rades gestickt sind. Sie ist das Maskottchen der Gauselmann-Gruppe. Auch wenn man in den Filialen kein klassisches Roulette spielen kann. Dafür versprüht es als einziges Spiel noch eine Grandezza, die man sich wohl als Spielhallenunternehmer nur wünschen kann.
Seit jeher fühlen sich die Betreiber mutwillig an den Rand der Gesellschaft gedrängt, an dem nur diejenigen ihr Geld verspielen, die ohnehin keines haben. Die Branche reagiert darauf, indem sie sich in der Gesellschaftsmitte aufzustellen versucht. In den Schaufenstern an der Frohnhauser Straße hängen Werbebanner, auf denen hübsche Menschen zufrieden in die Kamera lächeln. „Ein Abend bei uns, ist wie ein Abend bei guten Freunden“, steht darunter oder „Ich habe ihn gefunden - meinen Platz an der Sonne“. Der seltsam ranzige Charme des Glücksspiels verbindet sich mit der Biederkeit von Bausparverträgen. Die Spielhalle als allgemeines Freizeitvergnügen.
„Macht ihr Fotos?“
Im Inneren redet Axel Bornemann leise und routiniert gegen das allgegenwärtige Gebimmel an. Zwischendurch blickt der Vertriebsleiter auf den nagelneuen gold-schwarzen Teppich. Gut 1,3 Millionen Euro habe man in die Hand genommen, um die Filiale in 23 Wochen um- und auszubauen, erzählt Bornemann. „Wir danken allen Stammkunden für ihre Geduld.“ Vier geladene Gäste sind an diesem Nachmittag gekommen.
Die anderen vier Kunden, die im Eingangsbereich an den Automaten sitzen, interessieren diese Zahlen nicht. Ihr Blick bleibt statisch auf das blinkende und bimmelnde Diorama vor ihnen gerichtet. Zahlen und Symbole drehen sich, Lichter blitzen auf und erhellen für kurze Zeit die regungslosen Gesichter. So kommunikativ und transparent sich die Branche geriert, so verschlossen agieren ihre Konsumenten. Aufmerksamkeit behagt ihnen nicht. In einer Welt, die von der Öffentlichkeit stetig nahe an den gesellschaftlichen Rand gerückt wird, bleibt man lieber unter sich.
„Macht ihr Fotos?“, fragt ein Spieler skeptisch über das kakophonische Gebimmel hinweg, während er mit spitzen Fingern einen Geldschein aus seinem Portemonnaie zieht. Sein graues, mittellanges Haar hat er nach hinten gekämmt, die getönte Brille rutscht beinahe von der Nase, das Hemd steht bis zum Nabel offen. Es ist heiß.
Kein Wunder. Mit dem Umbau ist auch die Zahl der Geräte gestiegen, die das Unternehmen an der Frohnhauser Straße aufstellen darf. 48 Automaten verbreiten jetzt ihre Wärme, zwölf mehr als vor dem Umbau. Und das, obwohl das Wirtschaftsministerium in Berlin seit Monaten an einer Verschärfung des Glücksspielstaatsvertrages strickt. Demnach dürften nach einer fünfjährigen Übergangszeit nur noch zwölf Automaten stehen bleiben. Solange aber nichts beschlossen ist, gibt man sich entspannt: „Wir nehmen das sportlich“, sagt Axel Bornemann.
Ernstzunehmende Randgruppe
Zwischen fünf und zehn Millionen Menschen in Deutschland spielten regelmäßig in Spielhallen, ergänzt Regionalmanager Benjamin Bredenkamp, und davon rutschten 250.000 bis 300.000 Menschen ins pathologisch zwanghafte Spiel ab. „Eine Randgruppe, die man Ernst nehmen muss“, sagt Bredenkamp. Nicht mehr und nicht weniger. „Beim Alkohol sind es 1,5 Millionen.“
Rouletta schwebt in ihrem ausladenden Kleid durch die Automatenreihen und verteilt Pralinen. Die Snacks und Getränke seien immer kostenlos, sagt Margit Kurt. Sie ist die Leiterin der acht Mitarbeiter, die in gestärkten weißen Hemden und bordeaux-roten Westen während der Einweihung am Rand stehen. Dann schwärmen sie aus und kommen mit Tabletts voller Gläser oder Schnittchen zurück. Kostenlos. Ein kleiner Obolus in einer Welt, in der vieles umsonst sein kann.