Essen. Vor 23 Jahren soll sie von ihrem Onkel vergewaltigt worden sein: So schilderte es die heute 40-Jährige bei der Polizei und vor Gericht. Das Problem: Wie sich die Tat ereignet hat, darüber berichtete die Frau unterschiedlich. Das Landgericht Essen sprach den Onkel am Mittwoch frei.
Bis zu 23 Jahren lagen die Vergewaltigungen zurück, für die sich ein 53-Jähriger aus Essen vor der V. Strafkammer verantworten musste. Doch das Landgericht Essen sah keine Beweise für die angeblichen Taten und sprach den Mann am Mittwoch frei.
Umstritten war der Freispruch nicht. Staatsanwalt Gabriel Wais hatte in seinem Plädoyer die Taten zwar für möglich gehalten, wollte auf die wechselhaften Angaben der heute 40 Jahre alten Nichte des Angeklagten keine Verurteilung stützen.
So beantragte auch er einen Freispruch, dem sich die Opferanwältin Eva Berger anschloss. Verteidigerin Bärbel Saß sah genügend Anhaltspunkte für die erwiesene Unschuld ihres Mandanten: „Die Angaben der Zeugin sind sehr zweifelhaft, sie hat sich was erfunden.“
Kurz vor der Verjährung war die Frau zur Polizei gegangen und hatte ihren Onkel angezeigt. 1991 und 1993, als sie 17 beziehungsweise 19 Jahre alt gewesen sei, habe er sie vergewaltigt, gab sie an. Sie schilderte Details: in welchen Räumen die Tat geschehen sei, wie er ihre Hände fixiert habe.
Unterschiedliche Versionen bei der Polizei und vor Gericht
Vor Gericht wich die geistig leicht behinderte Frau, die in einer Behindertenwerkstatt arbeitet, von dieser Version ab. Sie habe damals bei Onkel und Tante übernachtet und sei im Schlaf vom Angeklagten ins Wohnzimmer getragen worden.
Dort habe er sie auf der Couch vergewaltigt. Sie blieb dabei, dass sie während der Tat geschlafen habe. Sie deutete an, dass sie es auch geträumt haben könnte. Auch bei der zweiten mutmaßlichen Tat änderte sie die Einzelheiten.
Zur Anzeige hatte sie sich so spät entschlossen, weil sie damals „so fertig war, ich habe durchgedreht“. Offenbar machte sie ihren Onkel, den sie nur „den ehemaligen Onkel“ nennt, für ihren Zustand verantwortlich, so dass sie zur Polizei ging. Auch von ihrem Stiefvater sei sie damals missbraucht worden, erzählt sie vor Gericht: „Das Verfahren ist eingestellt worden, der hatte mich oben angepackt.“
Das Gericht sprach den Angeklagten frei, ohne irgendeine Verdächtigung auszusprechen. Richterin Luise Nünning begründete den Freispruch mit der Angaben der Frau, auf die keine Verurteilung gestützt werden könne.