Essen-Katernberg. Der Arbeitskreis der evangelischen Erzieherinnen hatte nach Katernberg eingeladen. 500 Teilnehmer diskutierten mit Landespolitikern über Folgen der KiBiz-Reform.
„In den allerersten Lebensjahren werden die Weichen für das restliche Leben eines Menschen gestellt“, sagte Rainer Strätz bei der Podiumsdiskussion zur Situation der evangelischen Kindertagesstätten in Essen. Nie wieder, so der Pädagoge, lerne ein Mensch so schnell und so viel wie in diesen ersten zwei bis drei Jahren. Viele Kitas und vor allem die dort arbeitenden Erzieherinnen hätten somit einen entscheidenden Einfluss darauf, ob das Kind lernt, mit anderen Menschen umzugehen und vor Problemen nicht davonzulaufen.
Kitas schon Schließung bedroht
Sich den Herausforderungen zu stellen und Lösungen zu erarbeiten, das forderten Erzieherinnen, sowie Vertreter von Kitas und deren Trägern auch von der Politik. Rund 500 von ihnen kamen zur Podiumsdiskussion in die Zeche Carl, um ihrem Ärger über das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) Luft zu machen. Der Arbeitskreis der evangelischen Erzieherinnen hatte zu der Diskussion eingeladen, an der die Landtagsabgeordneten Britta Altenkamp (SPD), Thomas Kufen (CDU) und Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) teilnahmen.
„Das ganze System ist doch chronisch unterfinanziert“, ärgerte sich Simone Findt, Leiterin zweier evangelischer Kitas in Rüttenscheid. Sie rechnete vor, dass die Kitas in NRW rund 450 Millionen Euro benötigen, um die Qualität bei der Betreuung von Kindern aufrechtzuerhalten. Zudem seien viele evangelische ebenso wie katholische Kitas von der Schließung bedroht. Denn die Kirchengemeinden müssen zwölf Prozent der Kosten für den Betrieb der Kitas selbst aufbringen – zu viel, wie viele inzwischen meinen.
Mehrdad Mostofizadeh von den Grünen kennt das Problem, verweist aber auf die angespannte Haushaltslage des Landes. „Mehr als 100 Millionen Euro zusätzliches Geld waren bei der Überarbeitung des KiBiz einfach nicht drin“, erklärte der Haushaltspolitiker. Andernfalls müsse das Geld an anderer Stelle eingespart werden, beispielsweise bei Lehrern oder Polizisten. Auch Britta Altenkamp sieht diese Probleme. „Ich bin auch nicht ganz glücklich mit der letzten KiBiz-Revision und würde mir eine grundlegende Neuauflage wünschen“, sagte die SPD-Politikerin. Dazu seien neben dem Land, das die 100 Millionen Euro finanziert, aber auch die Kommunen in der Pflicht – „die haben aber kein Geld.“ Die Stadt leistet zwar trotz Schulden - laut Schuldenuhr gestern Abend 3,26 Milliarden Euro - noch vergleichsweise viel und gleicht Fehlbeträge bei den Kitas aus, aber diesen fehlt nach wie vor Geld.
Gestiegene Belastung im Job
Viele Erzieherinnen klagen deshalb nicht nur über die gestiegene Belastung, die nicht zuletzt auch zu Lasten der Kinder gehe, sondern fürchten inzwischen auch um ihren Arbeitsplatz. „Kommen Sie doch einmal für einen Tag in eine Kita, dann sehen Sie was wir leisten müssen“, lautete die Forderung aus dem Publikum an die Landtagspolitiker. Ein Vorschlag, den Mehrdad Mostofizadeh gerne annahm. Der Grünen-Politiker wird demnächst einen Tag im Familienzentrum Vogelnest in Altenessen verbringen.
Zum Abschluss der zweieinhalbstündigen Diskussion in Katernberg bekamen die Politiker von den Veranstaltern noch einen Wecker geschenkt, der auf fünf vor 12 Uhr steht – eine Mahnung, dass es höchste Zeit sei, die richtigen Weichen zu stellen.