Essen. . Schlechte Unternehmens-Nachrichten mit der Ortsmarke Essen gibt es dieser Tage zuhauf. Umso mehr freut die Wirtschaftsförderer bei ihrer Jahresbilanz, dass die Stadt im Vergleich punktet. Beim Bruttoinlandsprodukt liege Essen im Zwölf-Jahresvergleich vorn – vor Dortmund, Düsseldorf, München, Berlin und Hamburg.

Karstadt in der Dauerkrise, Thyssen-Krupp mit einem Bein noch im brasilianischen Stahlwerks-Sumpf, und die RWE-Strahler sparsam heruntergedimmt – nein, die Ortsmarke Essen verheißt bei Wirtschaftsnachrichten in diesen Tagen nicht viel Gutes.

Kein Wunder, dass die städtischen Wirtschaftsförderer dem Krisengeraune jetzt bei ihrer Jahresbilanz ein trotziges „Eigentlich sind wir ganz anders...“ entgegensetzen wollten – passgenau flankiert durch einen Artikel im Zentralorgan des deutschen Journalismus, das seine Tour d’horizon vom Stauder bis Siloxa, vom Schuldenberg bis zur Krupp-Historie mit spürbarer Sympathie begleitet: Vom „kleinen Wachstumswunder an der Ruhr“ spricht der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe.

Essen liegt im Zwölfjahresvergleich vorn

Und Dietmar Düdden hat die Zahlen dazu: Der Chef der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft EWG hält sich nicht lang damit auf zu erklären, was das nun genau ist, das Bruttoinlandsprodukt oder die Bruttowertschöpfung. Wichtig ist: Essen liegt im Zwölf-Jahresvergleich vorn – vor Dortmund, vor Düsseldorf, vor München, Berlin und Hamburg.

Ein solch sanftes Zahlenkissen macht die EWG selbstbewusst genug, die aktuellen Zahlen sprechen zu lassen: 128 erfolgreich abgeschlossene Projekte notiert die Bilanz für 2013 – mit Investitionen von 86,5 Millionen Euro. Dadurch ließen sich 1.334 Arbeitsplätze sichern und 1.037 neu schaffen. Sämtliche Vorjahres-Zahlen lagen zum Teil deutlich darunter.

Zwei Dickschiffe der Essener Wirtschaft wurden gehalten

Etwas mehr als 500 Jobs kamen durch Neuansiedlungen auf den Markt, vom Call-Center CCC in Frohnhausen bis zum Fahrradmarkt Lucky Bike am Westrand der Innenstadt.

Aber fast wichtiger noch ist den Wirtschaftsförderern, dass zwei Dickschiffe der Essener Wirtschaft gehalten werden konnten: Die Bahn-Logistiktochter Schenker baut auf dem Gelände des alten AEG-Hauses am Hauptbahnhof, zwischen Rheinstahl-Hochhaus und Postgiroamt ihre neue Zentrale. Und der Pharmagroßhändler Noweda findet in Altendorf Platz für einen Verwaltungs-Neubau, weil die Stadt ein Stück einer Bezirkssportanlage opfert.

Zum Ende des letzten Jahres standen noch 36,8 Hektar zur Verfügung

Die Sorge, keine Flächen anbieten zu können, wo welche gebraucht werden, um ein Unternehmen zu halten, umtreibt die Wirtschaftsförderer mehr und mehr. Zum Ende des vergangenen Jahres standen gerade noch 36,8 Hektar zur Verfügung, das entspricht einem Areal von rund 73 Fußballplätzen. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass allein 2013 rund 14,6 Hektar gewerbliche Grundstücke vermittelt bzw. verkauft wurden.

Mehr als das Doppelte der verfügbaren Fläche – EWG-Chef Düdden spricht von rund 80 Hektar – müssten zur Verfügung stehen, um die Anfragen auf Sicht bedienen zu können. Schließlich sei nicht jede Fläche hinsichtlich der Größe und Qualität geeignet. Um nicht unerwünschte Abwanderungen von Unternehmen zu provozieren, arbeitet man daran, weitere Areale verfügbar zu machen.

Das Etec wurde auf Vorrat gebaut

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Denn schon ein zwei große Nutzer reichen mitunter, um ein vermeintliches Polster dahinschmelzen zu lassen. Dies erlebt die Stadt derzeit beim Europa-Center neben dem Etec, das auf Vorrat gebaut wurde und nun auf einen Schlag vom Finanzdienstleister GFKL zu 40 Prozent belegt wird.

Dieser Mietvertrag taucht in der 2013er Büro-Bilanz nicht einmal auf – und dennoch lassen die Zahlen dort aufhorchen: Über 130.000 Quadratmeter wurden vergangenes Jahr vermietet, eine überdurchschnittlich gute Zahl, die nicht zuletzt aufs Konto von Thyssen-Krupp (mit seinem zweiten Quartiers-Bauabschnitt) und Schenker geht.

Leerstands-Quote stieg auf über fünf Prozent

Beide werden in diesem Sommer mit ihren Auszügen an anderer Stelle wieder Flächen freimachen. Ob es gelingt, diese prompt wieder zu vermieten, ist offen. So stieg im vergangenen Jahr die Leerstands-Quote nach fünf Jahren erstmal wieder auf einen Wert über fünf Prozent. Allerdings beeilt sich die EWG zu signalisieren: Mit Ausnahme von Stuttgart liegt die Quote in allen großen Bürostandorten höher.

Und immerhin, man begleite ja, so heißt es, aktuell neun Großgesuche von Unternehmen mit jeweils mehr als 200 Arbeitsplätzen – zusammengenommen 80.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche mit 4.780 Jobs und Investitionen von rund 155 Millionen Euro.

Wenn sie die alle in Essen unterbringen könnten, wäre das allemal Grund genug, beim Blick in den Spiegel mit der eigenen Arbeit ganz zufrieden zu sein.