Essen. Der Staatsanwalt sprach von einem versuchten Mord. Aber das Essener Schwurgericht sah 17 Jahre nach den fast tödlichen Schüssen im Essener U-Bahnhof Hirschlandplatz keine Möglichkeit, den Angeklagten zu verurteilen.
Der Drogenkrieg im U-Bahnhof Hirschlandplatz am 21. Dezember 1996 bleibt ungesühnt. „Im Zweifel für den Angeklagten“ sprach das Schwurgericht den 41 Jahre alten Albaner Ilirian M. am Dienstag frei. Auf die Zeugen mit ihren vielen Widersprüchen, so Richter Andreas Labentz, könne die Kammer keine Verurteilung stützen.
Elfmal schoss ein Unbekannter am 21. Dezember 1996 um zwei Uhr nachts auf einen gebürtigen Libanesen, damals 24 Jahre alt. Eine Kugel verletzte ihn fast lebensgefährlich, nur eine schnelle Notoperation rettete ihn. Als Täter wollte das Opfer später Ilirian M. erkannt haben, gegen den ein Haftbefehl erlassen wurde. Doch die Ermittler fanden den Albaner nicht mehr, offenbar war er untergetaucht. Die filmreife Schießerei, als Motiv nahm die Polizei Verteilungskämpfe im Drogenmilieu an, blieb zunächst ungesühnt.
Am 2. Juli 2013 brachte ein Zufall die Ermittler weiter. Vor einem Bordell in Gelsenkirchen überprüften Polizeibeamte Ilirian M. Er besaß zwar Ausweispapiere mit einem anderen Namen und einem anderen Geburtsdatum als der per Haftbefehl Gesuchte. Schnell war aber klar, dass es sich um den mutmaßlichen Schützen aus dem U-Bahnhof handelte.
Der Angeklagte bestritt jede Schuld
Ab dem 22. November verhandelte das Schwurgericht gegen ihn, der Angeklagte bestritt jede Täterschaft. Zeugen hatten Erinnerungslücken oder verwickelten sich in Widersprüche. Nach fünf Verhandlungstagen sah Staatsanwalt Christian Bolik aber genügend Indizien, um die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes aus Heimtücke zu beantragen. Zwölfeinhalb Jahre Gefängnis forderte er. Verteidiger Jörg Pelz hielt dagegen, sah keine Grundlage für diesen Antrag, dafür reichten die Indizien nicht aus. Freispruch forderte er.
Das Schwurgericht sah es genauso. Richter Labentz listete fast wie in einem Schulbuch auf, wie die einzelnen Zeugenaussagen bewertet werden müssten. Widersprüche in den Aussagen nannte er und belegte, auf welch schwachem Fundament ihre Angaben beruhten. Kurz: Ob der Angeklagte der Schütze sei, könne die Kammer nicht klar beantworten. Feststellen könne sie lediglich, dass seine neuen Personalien falsch seien.
Es belaste ihn eigentlich nur, dass er sich falsche Personalien zugelegt habe und so viele Jahre untergetaucht sei, bemerkte Labentz. Das reiche aber nicht. So bleibt die Tat ungeklärt, nach einem anderen Verdächtigen wird sicherlich nicht gefahndet. Für die U-Haft seit Juli wird der Angeklagte finanziell entschädigt.