Essen. Margret Bahr arbeitet seit zwölf Jahren als Sterbebegleiterin im Steeler Hospiz. Sie ist eine von rund 150 000 Essenern, die am Tag des Ehrenamtes gewürdigt wurden

Zuhören, Trösten, Halt geben, kleine Wünsche erfüllen, aber in erster Linie einfach verlässlich da sein - die Voraussetzungen, die Margret Bahr für ihr Ehrenamt mitbringt, klingen nicht spektakulär oder schwierig. Wäre da nicht der Ort, an dem sich die Essenerin seit nunmehr zwölf Jahren mit Herz und Seele engagiert: Sie ist eine von 70 ehrenamtlichen Sterbebegleiterinnen im Steeler Hospiz.

„Lass das bloß sein, Du weinst dich jeden Abend in den Schlaf“, war die erste spontane Reaktion ihres Mannes, als sie ihm ihren Entschluss mitteilte. Weinen, so Bahr, gehöre natürlich dazu, „besonders wenn ich den Menschen, die ich begleite, nahe gekommen bin“. So wie der älteren alleinstehenden Dame, die gerade verstorben ist. Sechs Monate lang stand Margret Bahr ihr zur Seite, gab ihr Sicherheit und Ruhe. Immer wieder Abschied nehmen, auch das gehört zu ihrer Tätigkeit.

"Man fokussiert sich auf das Wesentliche"

Doch neben Momenten der Trauer erlebt die 63-Jährige ebenso oft Augenblicke des Glücks. „Es klingt zwar etwas abgedroschen, aber seit ich im Hospiz arbeite, hat mein Leben eine andere Wertigkeit bekommen.“ Alltägliche Probleme verlieren ihre Wichtigkeit, „man fokussiert sich auf das Wesentliche und freut sich über kleine Dinge“. Warum sie sich gerade dafür entschieden hat, Menschen in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten, kann sie gar nicht mehr genau sagen. „Es war mir irgendwie ein Bedürfnis.“ Die Kinder waren aus dem Haus, „und auf einmal hatte ich viel Zeit übrig, die ich sinnvoll nutzen wollte“.

In ihrer Arbeit nimmt sie sich als Person zurück. „Nicht ich bin wichtig, sondern der Mensch, den ich begleite.“ Seine Sorgen aber auch seine letzten Wünsche stehen im Vordergrund. So wollte eine Dame, die lange in den USA gelebt hatte, noch einmal Halloween feiern, „und wir haben das ganze Hospiz geschmückt“. Andere wünschen sich einen letzten Ausflug ans Meer oder suchen die Versöhnung mit zerstrittenen Angehörigen. „Am Ende des Lebens haben die Menschen ein großes Bedürfnis, Dinge an- und auszusprechen, die sie lange verdrängt haben.“ Die Ausbildung, die alle Sterbebegleiter machen müssen, hilft dabei, die intensiven Gespräche auszuhalten. Wichtig ist aber auch ein gesundes Gespür für die eigenen Kräfte. Denn bei aller Nähe, die man zulässt, muss man sich auch abgrenzen können.

Dass das Thema Tod und Sterben bei vielen Menschen Angst auslöst, kann sie durchaus verstehen: Trotz ihrer langen Erfahrung als Sterbebegleiterin fürchtet auch Margret Bahr den Tod oder den Verlust eines nahen Angehörigen: „Wie es sich wirklich anfühlt, weiß ich nur in der Theorie.“