Essen. Am Unesco-Aufbaugymnasium im Südostviertel lernen vor allem Jugendliche, die aus Kriegs- und Krisengebieten stammen. Einige von ihnen haben ihre Lebensgeschichten aufgeschrieben. Obwohl die Jugendlichen so jung an Jahren sind, haben sie viel erlebt als manche Erwachsene zusammen.

An seinen ersten Tag in Deutschland kann Arif Jamal sich noch ganz genau erinnern. Wie in einem Film sei ihm dieser 22. Dezember 2009 vorgekommen. Zwei Monate Flucht aus Afghanistan über die Türkei, Griechenland, Italien und Belgien lagen damals hinter ihm. Ohne auch nur ein einziges Wort Deutsch zu sprechen, landete der damals 14-Jährige in Essen. Heute besucht Arif Jamal die zehnte Klasse der Unesco-Schule und will nach dem Fachabitur ein IT-Studium machen. Arifs Geschichte ist kein Einzelfall. Gemeinsam mit 25 derzeitigen und ehemaligen Schülern des Aufbaugymnasiums hat er die außergewöhnlichen Biografien junger Migranten in einem Buch verewigt.

„Lebensbilder“ heißt der Titel. Das Buch zeigt mit eindrucksvollen Bildern und Kurzgeschichten, wie schwer das Leben zwischen zwei Welten sein kann. Wie so viele Geschichten beginnt auch Arifs mit dem Krieg in seiner Heimat. Zu gefährlich ist die Situation für den jungen Privatschüler im Norden Afghanistans, sodass der Vater beschließt, ihn und seinen kleinen Bruder allein auf die Reise ins sichere Europa zu schicken. „Es war absolut grausam“, so der 18-Jährige. „Drei Tage lang haben wir uns mit 38 Personen in einem Öltank versteckt, um irgendwie anzukommen.“ Wie die meisten, kommt Arif über Schlepperbanden nach Deutschland.

"Deutschland steht für Möglichkeiten"

Heute lebt er mit seinem Bruder in einem Jugendheim und er ist dankbar für seine jetzige Situation. „Deutschland, das steht für Möglichkeiten. Mit Bildung kannst du alles erreichen.“ Im kommenden Jahr läuft Arifs Aufenthaltsgenehmigung aus. Was danach kommt, bleibt ungewiss.

Eine ähnliche Geschichte kann auch seine Mitschülerin Dornaz Farajollah erzählen. Die 19-Jährige floh vor drei Jahren mit ihrer Familie aus Teheran. Auch sie ist glücklich, sagt aber auch: „Ich mag mein Heimatland. Außer der politischen Situation ist es dort einfach wunderschön, und irgendwann möchte ich auch einmal zurückkehren.“

Buch ab sofort überall erhältlich

Die Fotografin Anne Koch hat für das Projekt „Lebensbilder“ neben aktuellen Fotos vor allem nach Kindheitsbildern der jungen Migranten gesucht. Die Kurzbiografien haben die Schüler selbst verfasst.

Das 104-seitige Buch ist im Klartext-Verlag erschienen und ist für 15 Euro im Handel erhältlich.

So traurig und grausam die einzelnen Lebenswege auch sind, so liest sich das Buch doch eher wie eine große Erfolgsgeschichte. Die Migrantin aus Griechenland ist heute Oberärztin, der Flüchtling aus Sri Lanka arbeitet für eine Investmentbank in London. „Genau das wollten wir“, sagt Projektleiterin Sigrid Becker. „Zeigen, dass das, was wir hier machen, auch funktioniert.“ Mit einem Migrantenanteil von mehr als 60 Prozent und rund 40 verschiedenen Nationen auf dem Schulhof werde die Unesco-Schule oft als „Problemschule“ abgestempelt. „Wir wollen mit dem Projekt einmal zeigen, was es für junge Menschen heißt, zwei Welten zu überbrücken.“