Essen. Drei Wissenschaftler veröffentlichen seit zwei Jahren die „Unstatistik des Monats“. Darin decken sie gewollte oder ungewollte Zahlen-Schummeleien auf. Ihnen geht es um den statistischen Analphabetismus in der Gesellschaft. „Wir sind Überzeugungstäter“, sagen sie.
Thomas Bauer ist ein Zahlenmensch. Und als solcher liebt er Genauigkeit. Mindestens das verbindet den Essener Arbeitsmarktökonomen vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit dem Dortmunder Statistik-Experten Walter Krämer und dem Gesundheitsexperten Gerd Gigerenzer aus Berlin.
Und so treibt alle drei seit zwei Jahren ein gemeinsames Ziel an: Statistik-Lügen zu entlarven. Denn davon gibt es ihrer Meinung viele - zu viele, wie sie in ihrer Unstatistik Monat für Monat aufzeigen.
Online-Ausgaben großer Zeitungen
Bauer erinnert sich noch genau an den Anfang: Eigentlich sollte es nur ein normales Arbeitstelefonat zwischen ihm und Walter Krämer werden. Den Anlass weiß er nicht mehr. Wohl aber, dass sich Krämer bei dem Gespräch fürchterlich über die aktuellen Schlagzeilen in den Medien aufregte. „Das Ruhrgebiet ist Deutschlands neues Armenhaus“, titelten unter anderem die Online-Ausgaben großer Zeitungen.
Das war im Dezember 2011 und Grund der Aufregung war der „Armutsbericht“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Dessen Chef Ulrich Schneider warnte damals gar vor sozialen Unruhen im Revier. Krämer – Autor des Buches „So lügt man mit Statistik“ – habe sich echauffiert, dass das völlig unverantwortlich sei.
Der emotionale Ausbruch blieb wie erwähnt nicht ohne Folgen. „Unser Ziel war es, etwas gegen den statistischen Analphabetismus zu tun“, sagt Bauer. Mühe, genug Stoff für ihre monatliche Unstatistik zu finden, haben sie nicht. Im Gegenteil. Oft ist es die Qual der Wahl. „Man muss nur Zeitung lesen oder Fernsehen schauen“, sagt der Wissenschaftler.
Tägliche Statistik-Flut
Die tägliche Flut der Statistiken ist das eine. Das wirkliche Problem aber ist die Interpretation: Statistiken könnten enorm gefälscht vor allem aber falsch gelesen oder interpretiert werden, so Bauer. Viele Gruppen bis hin zur Politik missbrauchten die Zahlenwerke auch wissentlich.
Die meisten Bürger jedoch erkennen dies nicht, beklagt der Forscher. Denn die statistische Ausbildung in der Schule sei zu schlecht. Aber selbst in vielen Studiengängen falle das Thema hinten unter. „Deshalb sprechen wir von statistischem Analphabetismus“, so Bauer. Dabei müsse man die Zahlen in den Statistiken häufig nur mit einem gesunden Menschenverstand hinterfragen.
23 Unstatistiken sind bislang zusammengekommen. Ob sie denn schon Erfolge messen könnten? „Im Kleinen vielleicht. Aber abgesehen davon sind wir schlicht Überzeugungstäter“, meint Bauer.