Essen. Bei der Wirtschaftsleistung lag die Ruhrmetropole Essen 2010 hinter Bonn auf dem zweiten Platz in NRW und überholte erstmals Düsseldorf. Essens Bruttosozialprodukt stieg im Vergleich zu 2009 um 14,2 Prozent. Ob das an guter Standortpolitik liegt, ist aber fraglich.
Es war eine Woche der Krisenmeldungen. Rekordverlust bei Thyssen-Krupp, das Aus für das Opel-Werk in der Nachbarstadt Bochum – in solchen Zeiten gehen gute Nachrichten aus der Wirtschaft schnell auch unter. Wie diese: Essen hat Düsseldorf, den eigentlich weit entschwundenen Rivalen, bei der Wirtschaftsleistung überholt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätiger, das die Wirtschaftsleistung misst, lag in Essen bei 81.074 Euro. Das bedeutete in NRW Platz zwei hinter Bonn. Erst auf dem dritten Rang folgten die Düsseldorfer mit 79.725 Euro.
Die Zahlen der Landesstatistiker stammen zwar aus dem Jahr 2010 – aktuellere Auswertungen gibt es nicht. Allerdings zeigen sie: Der Wirtschaftsstandort Essen kommt voran. „Diese Entwicklung ist nicht neu, doch ich habe immer in ungläubige Augen geschaut, wenn ich darüber berichtet habe“, sagt Wirtschaftsförderer Dietmar Düdden. Auch der Konjunkturexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn sagt: „Die Schere zwischen Essen und Düsseldorf geht schon seit einigen Jahren wieder zusammen.“
Ursachenforschung bleibt im Vagen
Besonders auffällig ist die sprunghafte Verbesserung, die Essen zwischen 2009 und 2010 hingelegt hat. Um 14,2 Prozent schnellte die Wirtschaftsleistung nach oben. In Düsseldorf dagegen nur um 0,5 Prozent. Die Statistiker sprechen allerdings von einer Sonderentwicklung. Vor allem Essens Energiesektor habe Anteil daran gehabt.
Die Ursachenforschung bleibt im Vagen. Auch bei der Wirtschaftsförderung kann man nur mutmaßen. So fiel ins Jahr 2010 der Umzug und die Neuorganisation von Eon Ruhrgas. Zuvor, 2009, hatte RWE seinen Energiehandel in Essen konzentriert – die Effekte dürften erst 2010 voll wirksam geworden sein. Und auch die Aluhütte Trimet, so Düdden, verlagerte ihren Energiehandel von Düsseldorf nach Essen. Ins Jahr 2010 fiel schließlich noch der Umzug von Thyssen-Krupp in die alte Heimat.
Essener Wirtschaft gut aufgestellt
RWI-Konjunkturexperte Döhrn warnt denn auch vor zu viel Euphorie: „Solange solche Zahlensprünge auf Verlagerungen beruhen, kann man nur mittelbar auf eine gute Standortpolitik schließen. Da muss man schon längere Entwicklungen betrachten.“
Hängt Essen am Ende doch nur von Wohl und Wehe einzelner Konzerne ab? „Nein“, meint Düdden. Auch wenn die jüngsten Probleme bei RWE, Thyssen-Krupp, Karstadt oder Eon die Dynamik abbremsen dürften, werde sich der positive Trend verstetigen. „Die Essener Wirtschaft ist gut und breit aufgestellt.“