Essen. Die großen Konzerne, die in Essen zu Hause sind, kündigen Abbau-Programme gigantischen Ausmaßes an. Das hat auch etwas mit der Energiewende zu tun, doch vor allem seien es hausgemachte Probleme der einzelnen Firmen, urteilt die Industrie- und Handelskammer.
Ob RWE, Thyssen-Krupp, Evonik oder Steag: Essen droht in den kommenden Jahren ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen. Gleich mehrere Konzerne haben in den zurückliegenden Tagen und Monaten einen teils drastischen Stellenabbau angekündigt, der an den hier sitzenden Konzernzentralen und -töchtern nicht spurlos vorbeigehen dürfte.
Die Zahl wird nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) in die Tausende gehen, und kaum durch neue Jobs zu kompensieren sein. „Wir bekommen es derzeit knüppeldick“, sagte Heinz-Jürgen Hacks, Geschäftsführer der IHK Essen. „In dieser Häufung gab es das in Essen Jahrzehnte nicht.“
Steag will 300 Stellen abbauen
Jüngstes Beispiel ist der RWE-Konzern, der bis 2016 weitere 6750 Jobs streichen will. Wie viele davon auf Essen entfallen, darüber konnte eine Unternehmenssprecherin keine Angaben machen. Derzeit gibt es in Essen noch 5845 RWE-Mitarbeiter. Allerdings will der Energieriese vor allem in der Verwaltung und bei der Stromerzeugung sparen. Gerade in Essen sind als Sitz der AG und weiterer Tochterfirmen viele Verwaltungsaufgaben vor Ort, so dass der Abbau die Stadt besonders treffen dürfte.
Neben RWE ist auch bei Evonik und Hochtief von jeweils rund 1000 Mitarbeitern die Rede, die gehen sollen. Evonik will ebenfalls vor allem in der Verwaltung sparen. Gleiches gilt für den Stromerzeuger Steag: Auch er steht vor einer Neuorganisation der Verwaltung an seinen Standorten. Im Zuge dessen sollen bis 2017 voraussichtlich 300 Stellen abgebaut werden, wie viele auf Essen entfallen, ist noch offen. Mit Thyssen-Krupp und Ferrostaal, die in jüngster Zeit auch einen Jobabbau angekündigt hatten, ließe sich die Liste fortsetzen.
Bergbau wirkt nach
Der drohende Stellenverlust bereitet der IHK „große Sorgen“. Hacks: „An jedem Arbeitsplatz, der direkt verschwindet, hängt mindestens ein weiterer bei Zulieferern oder Dienstleistern.“ Entsprechend höher dürften die Job-Verluste tatsächlich ausfallen. Das Szenario, das Essen droht, ist umso erstaunlicher, als die Konjunkturaussichten sowohl für die deutsche Wirtschaft als auch für Essen nicht so schlecht sind. In ihrer jüngsten Umfrage hatte die örtliche IHK einen deutlichen Stimmungsaufschwung in den Firmen gemessen. Aus ihrer Sicht sind es Sonderprobleme, mit denen die Konzerne kämpfen – und die nichts miteinander zu tun hätten. Sei es im Fall von RWE und Steag die Energiewende oder bei Thyssen-Krupp die Korruptionsaffäre und das Millionen-Investionsgrab in Übersee.
Die Folgen des Bergbaus
Konjunkturexperte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung glaubt, der Bergbau wirke hier doppelt negativ nach.
Zum einen gebe es in Essen viele alte Industrien, zum anderen fehle es in Folge des Bergbaus an ertüchtigten Gewerbeflächen für Neuansiedlungen.
Roland Döhrn, Konjunkturexperte beim Rheinisch--Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, vermutet dennoch einen Zusammenhang: „Es ist eine Folge davon, dass es in Essen eine Konzentration von alten Industrien gibt.“ Hier wirke die Bergbau-Geschichte nach.