Essen. Bald wird juristisch geklärt, ob Essen die höchstrichterlich vorgegebenen Kriterien bei den Berechnungen der Mietobergrenzen beachtet hat. Im Rechtsamt jedenfalls ist man nach wie vor sicher, sauber gearbeitet zu haben. Die Mietergemeinschaft Essen hatte bereits in der Vergangenheit Kritik an den „angemessenen Mieten“ geübt.

Es ist eben nicht alles nur eine Frage der Auslegung: Der mitunter harsch kritisierte Umgang der Stadt Essen mit den Mietobergrenzen für über 40.000 Hartz IV-Haushalte, 7500 Sozialhilfe-Gemeinschaften und rund 1200 Familien, die als Asylbewerber öffentliche Mittel in dieser Stadt beziehen, muss bald einer juristischen Überprüfung standhalten.

Der 7. Senat des Landessozialgerichts an der Zweigertstraße 54 wird sich am 28. November der Frage annehmen, wo die Mietobergrenzen zu ziehen sind und ob das Essener Konzept tatsächlich wasserdicht im gesetzlichen Sinne ist. In Mittelpunkt der voraussichtlich vierstündigen Sitzung wird eine Beweisaufnahme des Gerichts stehen. Nach NRZ-Informationen dürfte dies ein in der Sache bislang einmaliger Vorgang sein, der darauf hindeutet, dass sich die Richter für die Belastbarkeit der Daten hinter dem Mietspiegel interessieren, auf denen das Essener Konzept beruht. Mit Unterstützung eines Gutachters will das Gericht klären, inwieweit die Stadt die vom Bundessozialgericht vorgegebenen Kriterien beachtet hat.

Zudem gebe es eine Detailfrage zu klären, heißt es: Die, ob „kalte Betriebskosten“ in die städtische Kalkulation einzurechnen sind oder nicht. Im Essener Rechtsamt jedenfalls ist man nach wie vor sicher, sauber gearbeitet zu haben.

Nicht das erste Mal

Die Auslegung des Bundessozialgerichts-Urteils hatte der Stadt schon einmal Schelte eingebracht. Die Mietergemeinschaft Essen hatte die Berechnung bereits vor über einem Jahr kritisiert – mit einer eigenen Stoßrichtung. Zwar stehen den Beziehern von Transferleistungen in einem Ein-Personen-Haushalt inzwischen 50 Quadratmeter statt der bisherigen 45 zu (wir berichteten). Im Zuge der Rechtsprechung passte die Stadt die sogenannte angemessene Miete jedoch an. Die liegt jetzt bei 230,50 Euro. Teilt man den Betrag durch die Wohnfläche, ergibt sich ein Quadratmeterpreis von 4,61 Euro. Da habe die Stadt mächtig getrickst, monierte die Mietergemeinschaft und hielt eine andere Rechnung dagegen, nach der den Sozialleistungs-Beziehern genau elf Euro mehr zustünden: Bisher hätten Ein-Personen-Haushalte nämlich 217,50 Euro bei 45 Quadratmetern Wohnungsgröße bekommen. Macht 4,83 Euro pro Quadratmeter.

Lege man diesen Preis zugrunde, stünde einem Ein-Personen-Haushalt nach Meinung der Mieterschützer vielmehr 241,50 Euro zu. Und elf Euro trenne in diesem Segment häufig die Spreu vom Weizen. „Ob ich nun für 230,50 oder für 241,50 Euro eine Wohnung finde, macht einen großen Unterschied“, sagte die Geschäftsführerin der Gemeinschaft, Siw Mammitzsch, damals gegenüber der NRZ. Sie warf der Stadt vor, sich das Urteil schönzurechnen und gibt zu bedenken, „dass der Wohnungsmarkt für die Betroffenen immer enger wird“.

Dagegen führte die Stadt eine angeblich seriöse Rechnung nach dem „qualifizierten Mietspiegel“ ins Feld. Bei der Berechnung der angemessenen Miete habe der Quadratmeterpreis noch nie eine Rolle gespielt: „Der absolute Betrag ist entscheidend.“ Und der habe sich ja erhöht – zu Lasten der Stadt: Denn mit der Erwartung, dass Vermieter ihre Mieten entsprechend der neuen Obergrenzen anpassen, rechneten die Experten gleichzeitig mit Mehrausgaben von rund sieben Millionen Euro.