Essen. Sollen die sieben Revier-Stadtwerke auch noch den restlichen 49-Prozent-Anteil an der Steag von Evonik kaufen? Die Essener Politik ist unsicher geworden. Wegen der Energiewende sorgt sie sich, dass ein weiteres Engagement dazu führen könne, dass die Kommunen Geld verbrennen.
Im Schaubild der Stadtwerke, das da an die Leinwand geworfen wird, kennt die Steag-Zukunft nur eine Richtung: steil nach oben. Doch an den unaufhaltsamen Erfolg des Essener Energie-Produzenten mag die hiesige Politik in Essen nicht mehr so ohne weiteres glauben – dies ließ sie im Hauptausschuss des Rates durchblicken, wo die Stadtwerke dafür warben, gemeinsam mit sechs anderen Stadtwerken aus dem Revier - unter anderem aus Bochum, Duisburg, Dortmund und Dinslaken - auch noch den restlichen 49-Prozent-Steag-Anteil zu erwerben.
Eigentlich sollten die an einen privaten Investor gehen, so lautete einst der Plan. Und organisieren sollte die Suche der Finanzdienstleister Macquarie Capital Limited. Doch der meldet jetzt sehr zum Erstaunen mancher in der Politik, dass sich das Interesse zumindest derzeit arg in Grenzen hält: Allenfalls die Auslands-Aktivitäten wecken Aufmerksamkeit, aber das deutsche Kraftwerksgeschäft? Lieber nicht.
Wort reicht aus, um Sorge der Politik zu beschreiben
Warum das so ist, muss man nicht lange erklären. Und das Stichwort „Energiewende“ reicht aus, um die Sorge der Politik zu beschreiben, ein weitergehendes Engagement der Stadtwerke könne dazu führen, dass Steag die „Kohle“ der ohnehin notleidenden Kommunen verbrennt.
Dabei ist bislang alles gut gegangen: Ein Drittel der Kredite, die die sieben Stadtwerke – darunter das Essener mit einem 15-Prozent-Anteil – in der gemeinsamen Kommunalen Beteiligungsgesellschaft KSBG aufnahmen, ist bereits getilgt, und auch die zusätzlich allein von den Stadtwerken Essen investierten 30 Millionen Euro haben sich bis dato ausgezahlt: Über Zins und Tilgung hinaus verbleibt ein jährlicher Gewinn von bis zu einer Million Euro, und wenn das nicht „wirtschaftlich vorteilhaft“ ist, wie Stadtwerke-Vorstand Dietmar Bückemeyer formulierte, was dann? 12,5 Prozent Rendite hat man errechnet, und dass diese im Zuge des Kaufs der zweiten Tranche auf etwa 8 Prozent sinken würde, sei weniger ein Ergebnis schlechterer Erfolgsaussichten als Folge der absehbaren Umstellung der Finanzierung: Womöglich wollen die Banken zügiger bedient werden.
Stadtwerke Essen müssen rund 28,5 Millionen Euro aufbringen
Hintergründe zur Steag-Übernahme
Die Stadtwerke Duisburg sind mit 19 Prozent größter Teilhaber des Stadtwerke-Konsortium Rhein Ruhr, zu dem auch die Stadtwerke aus Dortmund, Essen, Bochum und Dinslaken sowie die Energieversorgung Dortmund und Oberhausen gehören.
Im Dezember 2010 hatte das Konsortium die ersten 51 Prozent der Steag von Evonik gekauft. Kaufpreis: 649 Mio Euro.
Im Januar 2011 hatten die Stadt- und Aufsichtsräte bereits den Kauf der weiteren 49 Prozent beschlossen. Der Kaufpreis ist mit 594 Mio Euro angegeben.
Die viel zitierte „Option“ bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Komplettübernahme: Die Stadtwerke können ab 2014 bis Ende 2015 ihre Call-Option ziehen, danach kann Evonik in 2016 mit der „Put-Option“ den Zeitpunkt des Anteilswechsels bestimmen.
Umso länger die Stadtwerke allerdings warten, um so teurer wird es: Den noch ausstehenden Kaufpreis für die zweite Tranche bekommt Evonik seit 2011 mit fünf Prozent verzinst, ab 2014 wären es sieben Prozent – das sind im Jahr stolze 41,5 Mio Euro. (ib)
Die Stadtwerke Essen müssten für ihren Anteil am 49-Prozent-Rest rund 28,5 Millionen Euro aufbringen, aber dass es dazu kommt, ist keineswegs sicher: „Ich teile nicht die Auffassung, nur weil wir A gekauft haben, müssten wir auch B kaufen“, sagte CDU-Fraktionschef Thomas Kufen, obwohl: Steag sei unter den schwierigen Rahmenbedingungen „noch einigermaßen gut weggekommen“.
Die SPD neigt eher zum Kauf, um dann in Ruhe einen Investor zu suchen, wiewohl Fraktionschef Rainer Marschan ein ungutes Gefühl beschleicht: „Für uns ist wichtig, dass wir nicht über den Tisch gezogen werden.“ Stadtwerke-Vorstand Bückemeyer sieht die Steag in einer „Transformationsphase“, eine Delle, die sich für die Gesellschafter als „suboptimal“ erweist. Macquarie strickt am Finanzkonzept, für die Komplettübernahme durch Stadtwerke, dann will man weitersehen.