Duisburg. Die Übernahme der zweiten Steag-Hälfte durch die Stadtwerke für 600 Millionen Euro steht in der Kritik. Die Übernahme der ersten Hälfte hatte die Stadt bereits in tiefe Schulden gestürzt. Ein Übernahme der zweiten Hälfte wäre nicht nur teuer, sondern anscheinend sogar gegen die Gemeindeordnung.
Das neue Rechtsgutachten über den Steag-Kauf durch das Stadtwerke-Konsortium befeuert die Debatte über die Sinnhaftigkeit des Milliarden-Deals. Denn die von der FDP-Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Expertise gießt Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die schon vor drei Jahren vor der Übernahme des Energieversorgers gewarnt hatten.
Im Kern geht es um die Frage, ob sich der Kauf der zweiten Steag-Hälfte für weitere 600 Millionen Euro überhaupt mit der Gemeindeordnung vereinbaren lässt. Nach Meinung von Professor Janbernd Oebbecke von der Uni Münster, Experte für Öffentliches Recht, verhindert ein Paragraf in der Gemeindeordnung die weitere Beteiligung von Stadtwerken, deren Städte als Gesellschafter völlig überschuldet sind und nur noch durch die Hilfe des Landes überleben können.
Paradebeispiel Duisburg
Duisburg gilt dafür geradezu als Paradebeispiel: Als größter Anteilseigner des Konsortiums aus sieben Stadtwerken steckt man auch in der größten Klemme. Die Stadt ist so pleite wie kaum eine andere, dennoch musste sie den eigenen Stadtwerken im Vorjahr mit 20 Millionen Euro unter die Arme greifen, damit sich diese nach massiven Gewinneinbrüchen in Folge der Energiewende neu aufstellen und 100 Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand schicken konnte. Jetzt müssen sich die Stadtwerke bei Banken mit knapp 40 Millionen Euro fast die doppelte Summe leihen, um ihren Kaufanteil der zweiten Steag-Tranche zu finanzieren.
Für den Gutachter Oebbecke jedenfalls ist klar, dass eine solche Kreditaufnahme für den Steag-Deal nicht in einem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit steht. Die Risiken werden klar benannt: Sollten die Erträge aus der Beteiligung wegbrechen, sei fraglich, ob eine Stadt im Stärkungspakt und mit Haushaltssicherungskonzept den Ausfall überhaupt tragen könnte.
Politik zeigt sich verschlossen
Zudem lasse sich der wirtschaftliche Erfolg der Steag ebenso wenig prognostizieren wie die künftige Zinsentwicklung. Sollte der Zinssatz künftig um drei Prozentpunkte „maßvoll steigen“, rechnet Oebbecke vor, würde das für Duisburg gleich 2,5 Mio Euro Mehrkosten bedeuten. Zudem zehrt der Kauf am Eigenkapital, das Rating bei den Banken wird schlechter und könnte die Konditionen für weitere Geschäfte verschlechtern.
Hintergründe zur Steag-Übernahme
Die Stadtwerke Duisburg sind mit 19 Prozent größter Teilhaber des Stadtwerke-Konsortium Rhein Ruhr, zu dem auch die Stadtwerke aus Dortmund, Essen, Bochum und Dinslaken sowie die Energieversorgung Dortmund und Oberhausen gehören.
Im Dezember 2010 hatte das Konsortium die ersten 51 Prozent der Steag von Evonik gekauft. Kaufpreis: 649 Mio Euro.
Im Januar 2011 hatten die Stadt- und Aufsichtsräte bereits den Kauf der weiteren 49 Prozent beschlossen. Der Kaufpreis ist mit 594 Mio Euro angegeben.
Die viel zitierte „Option“ bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Komplettübernahme: Die Stadtwerke können ab 2014 bis Ende 2015 ihre Call-Option ziehen, danach kann Evonik in 2016 mit der „Put-Option“ den Zeitpunkt des Anteilswechsels bestimmen.
Umso länger die Stadtwerke allerdings warten, um so teurer wird es: Den noch ausstehenden Kaufpreis für die zweite Tranche bekommt Evonik seit 2011 mit fünf Prozent verzinst, ab 2014 wären es sieben Prozent – das sind im Jahr stolze 41,5 Mio Euro. (ib)
In Duisburg hält man sich derweil äußerst bedeckt. Aus der Politik will sich niemand offen äußern. Kein Wunder: Einmütig hatten die Ratsmitglieder und die Aufsichtsräte die Hand für den Steag-Deal gehoben, die Zahl der Gegenstimmen war handverlesen. Erst langsam dämmert vielen das Ausmaß dieses Beschlusses, inzwischen setzt die Reue ein. „An einem solchen Kauf würden wir uns heute nicht mehr beteiligen, schon gar nicht im jetzigen Zustand der Steag“, sagt selbst ein Mitglied des Stadtwerke-Aufsichtsrats. Die Hoffnungen, die an das Milliarden-Geschäft geknüpft waren, haben sich indes nicht erfüllt.
„In völliger Euphorie vor die Wand gefahren“
„Wir bauen die Steag zur größten kommunalen Erzeugungsplattform in Deutschland aus“, hatte der damalige Stadtwerke-Chef Hermann Janning nach der Vertragsunterzeichnung vor knapp drei Jahren ausgerufen und einen „ökologischen Aus- und Umbau des auf Steinkohle fokussierten Kraftwerksparks“ versprochen. Die nüchterne Realität sieht anders aus: Gewinne macht die Steag nur noch mit Kohlekraftwerken in der Türkei, in Kolumbien oder auf den Philippinen. Das Inlandsgeschäft dagegen wackelt nach der einsetzenden Energiewende gewaltig, die ökologische Ausrichtung als tragender Pfeiler des Unternehmens in weite Ferne gerückt.
Eine Ausstiegsklausel für den Anteil der weiteren 49 Prozent aber gibt es in den Verträgen nicht, die sieben Stadtwerke dürfen sich nur noch den Zeitpunkt für den Restkauf aussuchen. Die eigentliche Komplettübernahme hatte der Rat bereits im Januar 2011 beschlossen, im Endeffekt stand da sogar schon der Kaufpreis fest. „Das Ganze wurde damals in völliger Euphorie vor die Wand gefahren“, sagt ein Aufsichtsrat, der seinen Namen keinesfalls in der Zeitung lesen will. „Wir müssen den Restkauf jetzt so vorteilhaft wie möglich gestalten.“
Gutachter zweifelt
Im Vorstand der Duisburger Stadtwerke hat sich an dem Vorhaben, die Steag im kommenden Jahr komplett zu übernehmen (NRZ berichtete), auch durch das Gutachten nichts geändert, wie Sprecher Torsten Hiermann bestätigte. Sämtliche Faktoren würden für diesen Zeitpunkt sprechen, hatte Stadtwerke-Chef Marcus Wittig erklärt.
Die Vereinbarkeit mit der Gemeindeordnung steht aber weiterhin offen im Raum. Das Stadtwerke-Konsortium lässt das Gutachten derzeit juristisch prüfen, sagte ein Sprecher. Dreh- und Angelpunkt der Zulässigkeit des Steag-Deals ist §107a: Nach dem muss die wirtschaftliche Betätigung auf dem Energiemarkt einem öffentlichen Zweck dienen und ist nur zulässig, wenn sie im angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Der Gutachter zieht Letzteres in Zweifel.
Entscheiden muss letztlich die Kommunalaufsicht: Sie muss ohnehin genehmigen, wenn sich Gemeinden auf ausländischen Märkten betätigen. Doch eben jene Genehmigung steht auch knapp drei Jahre nach Vertragsunterzeichnung immer noch aus, wie Bernd Hamacher, Sprecher der Bezirksregierung, der NRZ bestätigte: „Das Konsortium ist erst dabei, Vorschläge für die gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Konsortiums auf die Steag auszuarbeiten.“ Mit einem entsprechenden Vorschlag rechne die Bezirksregierung bis Ende November. Das offizielle Verfahren sei aber noch nicht angelaufen.