Essen. . Von „blankem Entsetzen“ sprechen die Anwohner auch noch fast eine Woche nach der Tat. Von einer „schrecklichen Tragödie“ spricht die Polizei. In einem Abschiedsbrief schilderte die 56-Jährige, die in Essen ihre Stieftochter getötet haben soll, ihre extreme Überforderung mit der „Gesamtsituation“.
Sie muss irgendwann an diesen Punkt gekommen sein, an dem sie keinen anderen Ausweg mehr fand als diesen tragischen. In der Wohnung der Frau, die in der vergangenen Woche ihre vierjährige Stieftochter getötet hat, hat die Polizei einen Abschiedsbrief gefunden. Daraus gehe hervor, dass die 56-Jährige „mit der Gesamtsituation und der Erziehung des Kindes völlig überfordert war“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender.
Mit stumpfer Gewalt, näher äußert sich die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen weiter nicht, habe die Stiefmutter das Kind getötet - und dann Hand an sich selbst angelegt. Zwar habe sie an den Armen „stark geblutet“, ob es sich dabei aber um einen „Hilferuf“ oder um einen tatsächlichen Suizidversuch gehandelt hat, ist derzeit noch reine Spekulation. Die 56-Jährige ist von der Polizei noch nicht vernommen worden, das soll in den nächsten Tagen erfolgen. Die Frau ist derzeit vorläufig in der geschlossenen Psychiatrie eines Krankenhauses untergebracht.
In Togo adoptiert
Zum Tatzeitpunkt hat sich der 47-Jährige Ehemann der Frau, die Deutsche ist, wohl in Togo aufgehalten, dem Land, aus dem er wie das tote Mädchen stammt. Er soll nach seiner Rückkehr von der Polizei befragt werden. Auch bei ihm handelt es sich „nur“ um den Stiefvater. Offenbar hat der 47-Jährige das Mädchen in Togo adoptiert und dann nach Deutschland gebracht.
Die leiblichen Eltern vermutet die Polizei im Verwandtenkreis des Mannes. Die Ermittler haben bislang keinen Grund zu der Annahme, dass es mit der Adoption „nicht mit rechten Dingen zuging“. In Deutschland hielten sich der Mann, bei dem auch das Sorgerecht lag, und das Kind vollkommen legal auf.
„Eine schreckliche Tragödie“
Von der Befragung des 47-Jährigen erhofft sich die Polizei auch nähere Erkenntnisse zu den Lebensumständen der Familie, die bislang noch relativ unbekannt sind. Klar ist nur, dass die drei bis zur Tat ein völlig unauffälliges Leben geführt haben. Dem Jugendamt war die Familie nicht bekannt. Das Mädchen hat wohl tagsüber einen Kindergarten besucht. Möglicherweise aber war die Frau schon vor der Tat in psychologischer Behandlung. Selbst wenn die Ermittler in den nächsten Tagen weitere Details der Tat zusammentragen, es ist und bleibt, wie es Polizeisprecher Faßbender sagt, „eine schreckliche Tragödie“.
Das sagen die Anwohner zum Familiendrama in Bergeborbeck
Bäume säumen die stark befahrene Stolbergstraße in Bergeborbeck. Die Fassaden leuchten rot und wirken frisch saniert. Auch die des Dreifamilienhauses, in dem vor wenigen Tagen ein Kind starb. Das vierjährige Mädchen soll von seiner Stiefmutter getötet worden sein. Auf den Stufen vor der Haustür liegen Plüschtiere, Tannengestecke und Porzellanengel. Die Kerzen hat der Regen gelöscht. Auf dem grauen Umschlag einer Trauerkarte steht: „An den Vater des kleinen Mädchens“.
„Hier bei uns in der Straße kennt jeder jeden, doch die Nachbarin ging ihren Weg. Dabei wohnten sie seit etwa zwei Jahren hier. Die Frau war aber sehr reserviert, ging wohl morgens zur Arbeit. Ich sehe sie noch schwarz gekleidet vor mir, die Farbe trug sie oft. Den Vater des Kindes kannte keiner. Das Mädchen wirkte immer so traurig auf mich, hat nie gelacht. Ich kann kaum noch schlafen, habe viel geweint, ich habe selbst vier Kinder, meine Tochter ist vier Jahre alt“, sagt eine Nachbarin (47).
"Sie hat die Kleine wohl zum Kindergarten gebracht"
„Es ist so traurig und ich bin einfach nur fassungslos, weil ich auch zwei Enkelkinder habe. Kinder können nun einmal auch laut sein und ordentlich aufdrehen, vielleicht war das der Frau zu viel, sie ist dann möglicherweise ausgerastet. Sie war wahrscheinlich überfordert“, sagt ein Nachbar (57).
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„Ich habe bis vor kurzem nebenan gewohnt und die Frau fast jeden Morgen getroffen, sie hat die Kleine wohl zum Kindergarten gebracht. Das Mädchen hat meinem kleinen Sohn zugewunken, wenn sie uns entgegen kamen. Auf dem Spielplatz hinter dem Haus habe ich das Kind nie gesehen. Als ich jetzt von der Tat gehört habe, konnte ich das nicht glauben, deshalb bin ich hergekommen. Oh mein Gott, es ist wirklich wahr, das macht mir Angst. Einige Nachbarn glauben, der Vater hatte in Togo eine andere Frau und die 56-Jährige hat das gewusst. Sie ist vielleicht damit nicht klargekommen. Das Mädchen hat sie Mama genannt“, sagt eine 26-Jährige weinend.
„Hier herrscht blankes Entsetzen“
Eine Nachbarin zündet ihre Kerze wieder an, andere schauen nach, ob ihre Teddys und Hasen noch auf den Stufen liegen. Immerhin habe sich bereits einer über das ganze Zeugs da vor der Tür beschwert. Der graue Umschlag ist inzwischen aufgerissen. Eine Familie spricht dem Vater Beileid und Mitgefühl aus zum Verlust seiner kleinen, süßen Tochter, schreiben die Nachbarn und beschreiben: „Hier herrscht blankes Entsetzen.“