Essen. .
„Rocker“ steht auf seiner Lederjacke. „Dich krieg ich!“, zischt der Zuschauer im Hinausgehen und wirft einen bedrohlichem Blick in Richtung Anklagebank.
Da sitzt noch ein 57-Jähriger aus Kray – und der kann sich angesichts der Drohung vermutlich nicht so recht am soeben von der V. Strafkammer des Landgerichtes verkündeten Freispruch freuen.
Angeklagte bestritt Vorwürfe
Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch und Körperverletzung hatte die Anklage ihm vorgeworfen. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe; nachweisen ließen diese sich nicht. Darum endet der Prozess mit einem Urteil, das den anwesenden Familienmitgliedern und Begleitern der Betroffenen überhaupt nicht gefiel.
Der Krayer hatte im vergangenen Jahr im Internet eine Frau aus Brandenburg kennengelernt. Schon nach drei Monaten packte sie ihre Sachen und zog mit den Kindern – darunter drei Töchter – zu ihm nach Essen. Dort soll es zu teils heftigen Übergriffen gekommen sein: Die 12 Jahre alte Tochter soll er über der Kleidung an der Brust berührt haben, die 16-Jährige soll er vergewaltigt und die Mutter geschlagen haben.
Familienverhältnisse sind völlig desolat
Fünf Tage verhandelte die Kammer. Und am Ende stellt Staatsanwalt Gabriel Wais ernüchtert fest: „Das hat nicht so viel ergeben.“ Während sich die Vorwürfe gegen den Angeklagten nicht erhärten ließen, kann der Staatsanwalt in seinem Plädoyer den erschreckenden Hintergrund des Falles schildern: Die Familienverhältnisse sind völlig desolat. Da sagen die Kinder, es gehe ihnen im Heim besser, sprechen von einer Mutter, die sich mehr für ihre Männer als für sie interessiert habe – und die ihnen nie geglaubt habe. „Man kann nur sicher sagen, das sind Verhältnisse, die man keinem Kind wünscht,“ fasst Wais zusammen.
Auch der Staatsanwalt beantragte aber Freispruch. Auf die widersprüchliche Aussage der jetzt 17-jährigen Tochter kann die Kammer kein Urteil stützen. Sie sei „schwer traumatisiert“, sagt Richterin Luise Nünning. Es gehe hier offenbar eher um einen Mutter-Tochter Konflikt. Aber der 57-Jährige Angeklagte habe keine „rühmliche Rolle gespielt“ – auch das habe die Kammer gesehen.
Einziger Lichtblick für die betroffenen Kinder ist wohl, dass Gerichte das Jugendamt einschalten, wenn im Laufe eines Strafverfahrens solche Sachverhalte offenbar werden.