Essen/Oberhausen. . Mehr als 350.000 Besucher haben Christos „Big Air Package“ im Gasometer schon gesehen. Für 20 Essener Folkwang-Studenten gab es jetzt eine Extra-Führung. Der weltberühmte Verpackungskünstler sprach mit den angehenden Gestaltern über seine Arbeit.
Dabei sein ist alles. Das olympische Motto ist immer zentraler Bestandteil der Christo-Kunst. Denn kaum ist sie aufgebaut, zumeist nach jahrelangem Planungshickhack, Prüfungen und Politikerbedenken, ist sie auch wieder weg. Nach wenigen Wochen wie im Central Park, wo die safrangelben Gates 2005 das Publikum bezauberten, oder nach Monaten wie im Oberhausener Gasometer, wo Christo sein Publikum jetzt noch einmal persönlich im „Big Air Package“ begrüßte , darunter 20 Studenten der Essener Folkwang-Hochschule.
Die dabei sein durften, bekamen am Ende mehr als sie erwartet hatten: eine Drei-Stunden-Einführung ins Mega-Werk. Eine unmittelbare Begegnung mit einem Weltkünstler, der erstaunlich nahbar ist und der auch mit 78 Jahren noch so wieselflink zwischen den Projekten, Jahren und den Planungsdetails hin und her switcht, dass sich nicht nur Student Daniel Rauch tief beeindruckt zeigte von „diesem wandelnden Lexikon seiner eigenen Arbeit“. Fotografie-Studentin Isabell Hoffmann geriet ins Schwärmen: „Man spürt, wie sehr ihm das alles am Herzen liegt.“
„Jeder Moment in meinem Leben ist Arbeit“
Zu verdanken hatten die Folkwängler die Christo-Begegnung einem Ehemaligen, der seit über 40 Jahren als einziger autorisierter Christo-Fotograf durch die Welt reist: Wolfgang Volz. Volz, von Christo familiär „Wolfi“ genannt, hat von 1969 bis ‘74 bei Folkwang-Legende Otto Steinert studiert. Eine Aufgabe waren damals Künstlerporträts. Volz ist ins Haus Lange nach Krefeld gefahren, zu diesem Bulgaren, der seine Luftwurst 1968 bei der documenta in Kassel aufgeblasen hatte. Dass er die Porträts während einer Auslands-Reportage gleich noch persönlich in New York vorbeigebracht hat, bei Christo und Jeanne-Claude, hätte ihm fast den Abschluss gekostet, denn Steinert war von der Abwesenheit seines Studenten wenig erbaut. Für Volz wurde diese Begegnung gleichwohl eine Lebensausgabe.
Auch an diesem Spätnachmittag ist der Fotograf im Gasometer dabei, assistiert mit Details, über die Umbrellas in Japan, die pinkfarbenen Stoffinseln in Florida, den verhüllten Berliner Reichstag, obwohl Christo immer noch ein wandelndes Werkverzeichnis ist, geistig und körperlich unglaublich beweglich. Die 90 Stufen in seinem Haus in New York, verrät er, halten ihn fit. Und als ein Student um Anregungen für ein Stuhl-Projekt bittet, das die Industrial Designer gerade in Arbeit haben, winkt er nur ab. Stühle? Braucht ein Christo nicht, wenn er arbeitet.
„Ich mag die realen Dinge. Aber ich hasse Flatscreens“
Und er arbeitet noch viel, eigentlich immer. Denn die Zeichnungen, die der Mann mit der akademischen Ostblock-Ausbildung brillant aufs Blatt wirft, sind die Währung, mit denen der Verpackungs- und Überzeugungskünstler seine Projekte finanziert. Mit den Blättern erkauft er sich die Freiheit, seine Utopien in Realität zu verwandeln, auf Zeit und „ohne Zweck, Nutzen, ohne Botschaft. Die Irrationalität ist unsere Kraft“. Christo spricht oft im Plural, auch wenn Lebens- und Kunstpartnerin Jeanne-Claude 2009 gestorben ist. Zwei gemeinsame Projekte sind noch unvollendet: die „Mastaba“ in der Wüste von Abu Dhabi und das Projekt „Over The River“ in Colorado. Cristo wird weiter daran arbeiten, auch wenn das ganze Verhandeln und Vernetzen Jeanne-Claude besser gelegen habe. „Ich mag die realen Dinge“, sagt Christo. „Aber ich hasse Flatscreens.“