Oberhausen. Für den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert macht Christo eine Privatführung durch seine Ausstellung im Gasometer. Offensichtlich stolz auf sein Werk, erzählt er Norbert Lammert alle Einzelheiten über sein Projekt. Und als Kunstliebhaber hört der Bundestagspräsident aufmerksam zu.

„Mr. President, kommen Sie hierher. Wenn Sie ihn erst einmal von außen sehen, das ist unglaublich beeindruckend. Wir fahren mit dem Aufzug hoch“, ruft Christo in seinem brüchigen Englisch, ausgerüstet im kalten Gasometer mit einer beigen Outdoor-Jacke mit vier aufgenähten großen Taschen. Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein aus der üblichen politischen Szene herausragender Liebhaber gehobener Kunst und Kultur, folgt dem kleinen, 77-jährigen, bulgarisch stämmigen Künstler willig – auch über die ein oder andere typische Gasometer-Stahlverstrebung hinweg.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Bochum wollte eigentlich eine feinsinnig-intellektuelle Festrede auf Christo halten, doch Flughafen-Streik und ungeplante Bahn-Aussetzer sorgen für eine so veritable Verspätung, dass es nur noch für eine Privatführung vom Meister selbst reicht. Als der zweithöchste Repräsentant des deutschen Staates endlich eintrifft und in die weiße Hülle eintritt, hat Christo nur noch Augen für Lammert.

Stolz auf sein eigenes Werk

Zuvor hat Christo sich willig mit jedem der 1200 geladenen Gäste fotografieren lassen, der gerne wollte. Es ist auf den ersten Blick ein erstaunlicher Gegensatz zwischen der weltberühmten Ikone Christo, dem internationalen Künstler gigantischer Projekte, und dem realen Menschen: Sein bescheidenes, zurückhaltendes Auftreten, sein zerbrechlich wirkender Körper, seine wirr nach hinten abstehenden Haare. Jetzt im Aufzug mit seinem deutschen Fotografen und Vertrauten bei vielen Projekten, Wolfgang Volz, und Lammert merkt man so richtig, wie stolz und begeistert Christo von seinem eigenen Werk ist, wie er enthusiastisch vom Werden des Projekts erzählt.

„Wir haben hier so viel Stoffmengen verwendet, die passten auf einmal gar nicht durch die Tür des Gasometers. Wir mussten sie in sieben Teilen hier hineinbringen und dann einzeln zusammennähen.“ Christo beschreibt Lammert genau, wie exakt er die Seile um den als Paket taillierten Ballon geplant hat, wie sie gehalten werden. „Die Seile, der Ballonstoff selbst, alles wurde extra für dieses Projekt angefertigt“, beantwortet Christo eine entsprechende Frage von Lammert. Volz schaltet sich ein, erläutert dem Politiker erst auf Englisch, wie der Ballon beim Aufbau nach oben gezogen wurde.

Eine umfangreiche Privatführung

Der Bundestagspräsident fragt detail-interessiert auf Deutsch zurück: „Haben Sie dann die Luft von oben oder von unten eingeblasen?“ Und: „Müssen Sie ständig viel Luft nachpumpen?“ Volz erklärt auf Deutsch wechselnd: „Wir pumpen die Luft von unten hinein und müssen nach dem Aufblasen des Ballons erstaunlich wenig nachfüllen.“ Die hier in ihrer Wirkung fast sakrale Kunst Christos hat eben auch verblüffend viel mit schnöder Technik zu tun.

Der Aufzug steigt immer höher, erreicht fast schon die Decke des Luftpakets. Jetzt wird Christo regelrecht euphorisch: „Und hier brechen die Sonnenstrahlen durch.“ Nun ja, im Dunkeln wird das Sonnenlicht wie jetzt durch Dutzende Strahler ersetzt, am Tag bricht das Licht tatsächlich durch die berühmten Gasometer-Deckenfenster und erleuchtet den Ballon in verschiedenen Weiß-Tönen. Ganz oben hält der Aufzug kurz, die Türen öffnen sich, viele Besucher warten. Sorry, kein Eintritt in den Aufzug, Privatvorführung. Christo und Lammert fahren sofort wieder hinunter – Christo will ihm noch Bilder seiner früheren Werke im Erdgeschoss zeigen.

Christo in Gesellschaft

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