Essen. . Moritz Peters inszeniert Franz Kafkas „Der Prozess“ am Grillo-Theater. Für seine erste große Regiearbeit hat der 32-Jährige eine eigene Bühnenfassung des fast 100 Jahre alten Roman-Fragments erarbeitet.

Vor dem Prozess ist nach der großen Klischee-Abrechnung. Die oft und gern gepflegte existenzielle Düsternis der Kafka-Rezeption, die Verschattung, das symbolbeladene Spiel, das große Käferkrabbeln, all das hat der junge Regisseur Moritz Peters aus seiner Inszenierung gestrichen. Der Bankangestellte Josef K., der am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet wird und fortan ein Leben in Schuld führt, ohne überhaupt den Vorwurf zu kennen, ist bei Peters kein aschgrauer Wiedergänger aus dem Regal für moderne Klassiker, sondern ein zeitloser Jedermann, ein schuldloser Schuldiger in einer Welt der schwindenden moralischen Instanzen, ein Zweifler und Sinnsuchender in einer anonym gewordenen Gesellschaft. Einer, der uns heute wohl näher ist als gedacht.

Haltung und Beziehung

Fast 100 Jahre ist Kafkas Romanfragment nun alt und doch von zwingender Gültigkeit, „weil er zeitlich und politisch so undefiniert bleibt, das macht ihn so spannend“, findet Peters, der den „Prozess“ in einer eigenen Bearbeitung zeigt. Peters, 1981 in New Haven/USA geboren und in Bochum aufgewachsen, ist dieses unbestimmte Gefühl der allgemeinen Verunsicherung, des Rechtfertigungsdrucks durchaus vertraut. Dieses psychologisch, politisch und soziologisch auf vielerlei Weise gedeutete Stück hat ihn schon als junger Mann fasziniert, damals schienen ihm die Figuren „so unfertig, roh, unbestimmt, da kann man als Jugendlicher ganz gut andocken“. Inzwischen macht er seine Inszenierung vor allem an zwei Begriffen fest: „Haltung und Beziehung.“

Das fünfköpfige Ensemble ist dabei im raschen Rollenwechsel gefordert, spielt auf Lisa Marie Rohdes schräg gestellter Bühne mit dem schmalen Hintergrundschlitz mal den Untersuchungsrichter, mal den Prügler. Axel Holst, der vor Jahren schon zum Ensemble von Jürgen Bosse gehörte, kehrt für diese Rollen ans Grillo zurück. Schnelle Szenenwechsel und gestochen-scharfe Dialoge, bisweilen von grotesken, fast slapstickartigen Intermezzi unterbrochen, strukturieren den Abend, wie Peters den „Prozess“ überhaupt als kompaktes Kafka-Extrakt inszeniert.

Es ist, nach einer ersten Fingerprobe in der Heldenbar seine erste große Arbeit am Grillo-Theater. Der 32-Jährige, der nach dem Schauspielstudium in Frankfurt zunächst ans Zimmertheater Tübingen wechselte, sieht sich mit seiner ersten Regie auf dem richtigen Weg. Während sein Bühnenheld K. den Kampf des Individuums irgendwann verloren glaubt und an der Eigenlogik des Systems zugrunde geht, will Peters vor allem eines: spielen und spielen lassen.