Essen. . Die Zeiten ändern sich: Immer weniger Angehörige haben Zeit, sich um die Grabgestaltung ihrer Hinterbliebenen zu kümmern. Sechs Friedhofsgärtnereien schufen Essens erstes Memoriam, einen Garten der Ruhe, der Raum für Urnen- und Reihengräber bietet – Pflege inklusive.

Um die Bestattungskultur zu erneuern und das Erscheinungsbild der Friedhöfe zu verbessern, haben sich sechs Essener Friedhofsgärtnereien zusammengetan und die „Memoriam Garten Essen GbR“ gegründet. Diese hat in Absprache mit Grün und Gruga die Neugestaltung des Feldes 61 auf dem Parkfriedhof in Huttrop übernommen.

500 Gräber werden in den Garten eingebettet, der sich ganzjährig grün zeigen soll. „Auf vielen Friedhöfen sind zwar die Gräber gepflegt, aber das Umfeld nicht“, sagt Carsten Nöll von Memoriam-Garten. Da würden die Rasenflächen zu selten gestutzt, da wucherten Büsche. Mit gesunkener Personalstärke falle es Grün und Gruga schwer, hier gegenzusteuern. Auch gehe die Zahl derer, die jahrelang ein Grab pflegen, stetig zurück. Aus Kosten- und Zeitgründen entschieden sich immer mehr Menschen fürs anonyme Urnengrab.

Keine Bestattungen zum Dumping-Preis

Im Memoriam-Garten wird niemand namenlos bestattet, jedes Grab bekommt Stein oder Platte mit Namen. Bestattungen zum Dumping-Preis wird es hier nicht geben, wohl aber ein „Rundum-Sorglos-Paket“ für jene, die sich ein schönes Grab wünschen, die Hinterbliebenen aber nicht überfordern mögen. Man erwirbt ein Grab plus Pflege für mindestens 25 Jahre und zahlt einmalig von 2495 Euro (Urnenreihengrab) bis 6995 Euro (Premium Erdwahlgrab).

Letzte Ruhe: Trauerort oder Lieblingsplatz

„Ich bin gläubig, ein richtiges Grab gehört meiner Meinung nach dazu. Das ist nicht nur wichtig für die Trauerbewältigung, sondern auch um sich gebührend von dem geliebten Menschen zu verabschieden und auch, um mit ihm weiter in ,Kontakt’ zu bleiben.“ Christine Gembler

Schon aus Kostengründen bin ich für anonyme Bestattungen. Meine vier Kinder sollen finanziell nicht bluten, wenn ich eines Tages tot bin. Ich finde, dass es schönere Orte gibt, an denen man Verstorbener gedenken kann, zum Beispiel ein gemeinsamer Lieblingsplatz.“ Frank Preikszas

„Diese Entscheidung kommt auf die Umstände und persönlichen Gegebenheiten an. Warum nicht anonym beerdigen lassen, wenn man keine große Familie oder viele Angehörige hat? Wenn aber Kinder mit im Spiel sind, ist ein richtiges Grab meiner Meinung nach angebracht.“ Barbara Strasser

„Würde es meinen Partner oder mich treffen, gäbe es auf jeden Fall ein richtiges Grab. Allein schon wegen der Kinder. Meine Eltern und Verwandten dagegen wohnen fast 600 Kilometer von mir entfernt. Da würde eine anonyme Beerdigung Sinn machen.“ Birgit von der Lippen

Die Gräber sind auf verschiedene Themenfelder des Gartens verteilt: Da gibt es die Auenlandschaft mit Bach, den Hafen der Ruhe mit Boot oder den Heidegarten mit Natursteinmauer und Hochbeet; die Wege sind geschwungen, Bänke sollen zum Verweilen einladen. Ein Vertrag mit Grün und Gruga regelt, dass die Memoriam-Gesellschaft die Pflege des gesamten Ensembles garantiert. 120.000 Euro hat diese vorab in den Garten investiert.

„Nur mit Mut kann man die Friedhofskultur erneuern“

Eingesegnet hat den Memoriam-Garten der katholische Pastor Gerd Belker gemeinsam mit einem evangelischen Kollegen. Und Belker gibt dem Projekt nicht nur als Pfarrer, sondern auch als Person seinen Segen: „Mit hat gefallen, dass Friedhofsgärtner und Steinmetze sich zu diesem Wagnis zusammengetan haben. Nur mit Mut kann man die Friedhofskultur erneuern.“ Viele Menschen suchten neue Formen der Bestattung, er wolle das als Geistlicher nicht besserwisserisch bewerten. Die Puppe auf dem Kindergrab, die Geige auf dem Grab des Musikers – beides könnten Symbole der Hoffnung, Verweise auf ein Leben nach dem Tod sein. Auch der Memoriam-Garten arbeite mit Sinnbildern des Lebens wie dem Wasser des Bachs.

Dass Bodendecker und winterharte Pflanzen ganzjährig für Grün im Memoriam-Garten sorgen, soll auch den Pflegeaufwand begrenzen. Belker nennt es eine Antwort auf die „Suche vieler Menschen, mit den Verstorbenen in Dankbarkeit und Ehrfurcht umzugehen – im Rahmen ihrer Möglichkeiten“.