Essen. . Im jetzt gestarteten „Essener Zentrum für Seltene Erkrankungen“ an der Essener Uniklinik arbeiten Mediziner verschiedener Disziplinen eng vernetzt zusammen. In Deutschland leiden weniger als fünf von 10.000 Menschen an einer der 7000 seltenen Erkrankungen – das sind bundesweit rund 4 Millionen Betroffene.
Es beginnt mit Symptomen, die nichts Schlimmes bedeuten müssen. Zumal die Schwangerschaft unauffällig verlief, eine glückliche Geburt folgte. Doch einmal auf der Welt nimmt die kleine Mira Abels ab. Eine Lebensmittelunverträglichkeit vermutet man. Bis Ärzte feststellen – der Säugling leidet unter einer Niereninsuffizienz. Beide Nieren arbeiten nicht richtig, verlieren wichtige Eiweißstoffe.
Zweieinhalb Jahre und einen Leidensweg, der in einer Nierentransplantation gipfelt, später spielt das Kind entspannt im Warteraum der Uni-Kinderklinik, die neuerdings eng mit dem Essener Zentrums für Seltene Erkrankungen (EZSE) vernetzt ist. „Manchmal“, sagt ihre Mutter Hiltrud Abels, „wundere ich mich selber, wie gelassen sie das alles über sich ergehen lässt.“ Eben erst haben die Ärzte dem zweieinhalbjährigen Mädchen Blut abgenommen. Doch sie quengelt nicht, hält vielmehr glücklich eine Hand mit einem Comic-Pflaster in die Höhe.
Eltern entschließen sich zur Lebendspende
Zufriedenheit, die darauf zurückzuführen sein mag, dass Mira mit Arztbesuchen, mit Klinikaufenthalten und Operationen groß wurde. Viel Zeit hat sie in der Uniklinik verbracht, nachdem feststand, dass die Niereninsuffizienz auf einen Gendefekt zurückzuführen ist. „Mit Medikamenten kann man so wenige Jahre überbrücken“, sagt die Molekulargenetikerin Dr. Stefanie Weber. „Doch bei Mira war der Verlauf der Krankheit sehr schnell. Die Blutwerte gerieten aus dem Lot, sie hat Wasser eingelagert.“ So begann man mit der Dialyse als Nierenersatz. „Kurzfristig ging es ihr durch diese Entgiftung besser“, sagt Weber. Doch die Dialyse könne ein menschliches Organ nicht vollständig ersetzen, so dass eine Nierentransplantation nötig wurde.
Mit Lotsen durch das Ärzte-Netzwerk
Weniger als fünf von 10 000 Menschen leiden an einer der 7000 bekannten seltenen Erkrankungen; bundesweit gibt es damit rund vier Millionen Betroffene. Da die verschiedenen Krankheitsbilder wenig bekannt und häufig komplex sind, ist es für Patienten schwierig, eine verlässliche medizinische Diagnose zu bekommen. In Zentren wie dem jetzt an der Essener Uniklinik gegründeten, soll darum die fächerübergreifende Zusammenarbeit ausgebaut werden.
Für Betroffene, die unter einer Erkrankung leiden, die mehrere Organsysteme betrifft, übernimmt an der Essener Uniklinik eine Lotsin die Terminkoordination, so dass Patienten, die zu Untersuchungen anreisen, an einem Tag allen behandelnden Ärzten vorgestellt werden können. Stehen regelmäßige Kontrollen an, die Mediziner am Heimatort eines Patienten nicht übernehmen können, bleibt vielen häufiges Pendeln dennoch nicht erspart. Eingebunden in die Arbeit des multiprofessionellen Teams an der Uniklinik Essen sind darüber hinaus Ansprechpartner von Selbsthilfegruppen, denn gerade bei seltenen Erkrankungen ist es für Patienten schwierig, ein soziales Netzwerk mit anderen Betroffenen aufzubauen.
Während Mira bei Eurotransplant auf der Warteliste steht, rennt die Zeit. Zehn Kilo soll sie wiegen, bevor operiert wird. Da kein Organangebot kommt, entschließen sich die Eltern zur Lebendspende. Ein Jahr und sieben Monate ist Mira alt, wiegt gerade 9,6 Kilo, als sie eine Niere ihres Vaters bekommt. Die Operation glückt. Mira nimmt zu, blüht auf, ist längst nicht mehr von gleichaltrigen Kindern zu unterscheiden – und wird doch immer infektanfällig bleiben.
Lebenslang wird sie auf Medikamente angewiesen sein. Noch kommt die Familie regelmäßig an die Essener Uniklinik, die eines der führenden Nierentransplantationszentren bundesweit ist. Dies ist, ebenso wie die Kinderklinik, nicht neu, doch durch die Anbindung an das EZSE arbeiten die Häuser nun enger zusammen, um Patienten mit seltenen Erkrankungen schneller zu sicherer Diagnostik und Versorgung zu verhelfen.