Essen. Am 22. September geht’s auch für den Bürgernachwuchs an die Urne. Parteien buhlen um die Jungwähler.

„Ganz genau weiß ich noch nicht, wer meine Stimme bekommt“, sagt Saskia Klüner. Sie darf bei der Bundestagswahl erstmals an die Wahlurne, so wie 6499 junge Essener. Zu den Erstwählern gehört die Gruppe all jener, die in der Zeit vom 28. September 1991 bis zum 22. September 1995 geboren wurden. Manche Parteien und Kandidaten buhlen ganz besonders um ihre Erst- und Zweitstimmen, etwa die SPD und ihr Geschäftsführer Arno Klare.

„Wir haben sie mit einer Postkarte angeschrieben, versehen mit dem Aufruf ,Geht wählen!’“, sagt Klare, der im Essener Nord-Westen selbst zur Wahl steht. Möglich macht dies das Einwohneramt der Stadt, dass Parteien die Daten von Erstwählern ganz legal verkauft. Circa 1000 Euro koste dies. Mit grundlegenden Infos darüber, wofür die Partei steht, wolle man die Jugendlichen motivieren. „Mehr passt nicht auf die Karte“, so Klare. Die Jugendorganisation der SPD, die Jusos, sprechen auf „Fa­ce­book“ Erstwähler an und verteilen bei Kneipentouren Material, in dem die eigenen Wahlziele in den Bereichen Schule, Ausbildung und Einstieg in den Beruf erklärt werden. Dazu gibt bei den Jusos Jungwählerstammtische, „die aber auch außerhalb von Wahlen“, betont Klare.

Grüne sprechen Erstwähler nicht an

„Wir machen gar nichts Spezielles für Erstwähler“, sagt hingegen Grünen-Geschäftsführer Joachim Drell. Anders bei den Linken: „Wahlen für EinsteigerInnen“ heißt’s auf der In­ternetseite der Partei. „Wir erklären ihnen, warum es wichtig ist wählen zu gehen und warum Die Linke die richtige Partei für sie ist“, so Linken-Sprecher Rainer Burg. Unangenehme Themen wie „Sind das nicht alles Verfassungsfeinde?“ oder „Aber die waren doch früher alle in der SED und wollen die DDR zurück!“ werden ebenso angesprochen – und aus Parteisicht beantwortet. „Unsere Linksjugend betreibt dazu generell einen Jugendwahlkampf, in den sie Erstwähler einbezieht“, so Burg.

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Auch bei der FDP ist die Jugendorganisation für Erstwähler zuständig: „Die Julis haben einen ,Polittalk am Grill’ im Seaside Beach organisiert, natürlich mit viel Fleisch – eine Aktion ge­gen den von den Grünen geforderten ,Veggie Day’“, sagt FDP-Chef Ralf Witzel. Neben gut 80 Julis seien „drei Dutzend“ Erstwähler da gewesen. Erstwähler-Material lieferten die Julis ebenso – mit In­fos zum freiheitlichen Grundgedanken, zu Toleranz und Datenschutz. Wie die CDU in Essen Erstwähler anspricht war vor Redaktionsschluss leider nicht in Erfahrung zu bringen.

"Ich gehe auf jeden Fall wählen"

Überzeugt? Jonas Frach darf das erste Mal wählen, findet sich jedoch nicht gut durch die Parteien informiert und Orientierungslos: „Ich gehe auf jeden Fall wählen“, betont er,, denn mit der aktuellen Politik sei er bin „nicht so zufrieden“. Auch Marvin Friß darf das erste Mal wählen. Er organisiert die Unter-18-Wahl für Kinder und Jugendliche mit, „aber ich bin noch zu haben: Entschieden habe ich mir noch nicht für eine Partei.“ Das liege vor allem daran, dass er vor allem bei den Kleinen nicht wisse, „wofür sie stehen und was sie speziell für Jugendliche tun wollen.“

Die beiden Freunde Schahin Javanmardi und Ankit Chhara wissen schon, wen sie wählen wollen – der eine SPD, der andere CDU. Warum? „Weil ich glaube, dass sie mehr für soziale Gerechtigkeit stehen als die anderen Parteien“, sagt Javanmardi, Chhara: „Und ich bin mit der Politik von Angela Merkel sehr zufrieden, darum will ich eine Fortsetzung.“

Als Erstwählerin fühlt sich Karoline Seck „ein Stück erwachsener“ . Ihr sei es wichtig, wählen zu gehen, schließlich zähle jede Stimme. Nur wen, „das wusste ich erst nicht“. Sie sei mit der Informationsflut überfordert. Was am Ende half? „Ich habe mir mit Freunden Wahlwerbespots angeguckt und den ,Wahlomat’ angeschmissen. Dann hat sich das verfestigt. Jetzt weiß ich wen ich wähl’.“

Als Erstwähler bereits Wahlhelfer

3000 Wahlhelfer kommen bei der Bundestagswahl zum Einsatz, davon 1100 städtische Mitarbeiter, weil es an Freiwilligen hapert. Für sie gibt es zwar keine Aufwandsentschädigung, aber je nach Funktion Freizeitausgleich – für Beisitzer acht Stunden, für Schriftführer neun und als Wahlvorstand zehn Stunden.

Erfreulich ist da, dass unter den Wahlhelfern zwischen 300 und 400 Erstwähler sind. „Wir haben alle angeschrieben und ihnen angeboten als Beisitzer mitzumachen. So führen wir sie gut ans Thema ran und interessiert sie ganz nebenbei für Politik.“, sagt Amtsleiter Rüdiger Lohse. Als Dankeschön gibt’s 30 Euro Aufwandsentschädigung.