Essen. . Gewerkschafter rechtfertigt seine Position: Es geht auch um viele Arbeitsplätze im Konzern Stadt.

Auf heftige Kritik sind die jüngsten Äußerungen des Essener Verdi-Geschäftsführers Lothar Grüll und der Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Yvonne Sachtje, zum Messe-Bürgerbegehren gestoßen. Die Ratsfraktion der Linken zeigte sich irritiert: „Ich habe den Eindruck, dass Kollege Grüll ziemlich ahnungslos die unbewiesenen Behauptungen der Messe-Lobby nachplappert. Offenbar gibt es an der Basis größere Sachkenntnis, wie die zahlreichen Unterstützerunterschriften auch von Verdi-Mitgliedern zeigen“, so Linken-Fraktionschef Hans Peter Leymann-Kurtz.

„Belege für die angeblichen Beschäftigungseffekte durch die Messe Essen bleiben Verdi wie auch NGG schuldig. Mit seiner Stellungnahme pro Messe erweist der Verdi-Chef zwar seinem Genossen, SPD-OB Reinhard Paß, einen Gefallen, er schadet mit dieser Position jedoch den Arbeitnehmern und allen anderen Essenern. Oder ist es neuerdings Aufgabe von Verdi, Mini-Jobs und prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Gastronomie zu verteidigen?“, fragt Leymann-Kurtz.

Die Linken sehen sich vielmehr durch das Gutachten der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers, die erheblichen Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Messe-Neubaus geäußert haben, in ihrer Kritik bestätigt. „Seit über zwei Jahren fordert meine Fraktion, dass wirtschaftlich tragfähige und strategische Alternativen geprüft werden. Welche Messe wollen wir haben, wo wollen wir hin?“, so Leymann-Kurtz abschließend.

Dass die Äußerungen des Verdi-Chefs innerhalb der DGB-Gewerkschaften keineswegs unstrittig sind, zeige sich auch daran, dass der Vorsitzende der IG Bau zu den Erstunterzeichnern des Bürgerbegehrens zählt. Allerdings war Regionalleiter Holger Vermeer bis vor einem Jahr auch Sprecher des Kreisverbands der Linken in Essen.

„Nicht mehr konkurrenzfähig“

Verdi-Geschäftsführer Lothar Grüll verteidigte gestern seine Position: „Es geht mir in erster Linie um die Arbeitsplätze, und dabei rede ich nicht nur von den 230 bei der Messe, sondern auch von den vielen Arbeitsplätzen im Konzern Stadt, die verschiedene Dienstleistungen für die Messe übernehmen.“ Wer sich gegen den Umbau der Messe stelle, gefährde sie in ihrem Bestand: „Die Messe, so wie sich heute präsentiert, ist nicht mehr konkurrenzfähig im Vergleich zu vielen anderen Messen. Deshalb brauchen wir diese technische Erneuerung.“ Nur dann habe die Messe Essen eine gute Chance, sich zu behaupten.

„Wir haben die betriebswirtschaftlichen Fragen intensiv diskutiert, und wir sind der Meinung, dass die Stadt den Umbau stemmen kann.“ Die Investition von 123,4 Millionen Euro gefährde laut Grüll keinerlei andere Arbeitsplätze im Konzern Stadt: „Ich sehe das nicht.“ Allerdings habe man zum Zeitpunkt der Entscheidung in den Verdi-Gremien noch nicht gewusst, dass OB Paß den Umbau um ein Jahr verschieben werde: „Wir werden deshalb eine Neubewertung vornehmen.“ Dies ändere aber nichts an seiner Haltung zum geplanten Bürgerbegehren: „Ich empfehle unseren Mitgliedern, nicht zu unterschreiben. Sollte es zu einem Bürgerbegehren kommen, werden wir mit einer Kampagne klar Stellung beziehen.“